Im Achtelfinale des DFB-Pokals traf der SC Paderborn zu Hause auf den Tabellenvierten der 2. Bundesliga, die Schanzer aus Ingolstadt. In einem spannenden Spiel mit klarem Chancenübergewicht der Paderborner, konnte sich die Heimmannschaft mit einem 1:0 Sieg zum ersten Mal in ihrer Geschichte für das Viertelfinale qualifizieren.
Disclaimer
Es liegt in der Natur eines solchen Blogs, dass die Spiele auf strategischer und taktischer Ebene analysiert und vor allem kritisch betrachtet werden. Die Aussagen erfolgen dabei von einem (im Rahmen meiner Möglichkeiten als SCP-Mitglied) möglichst neutralen Standpunkt.
Dennoch kann es dadurch, dass Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten akzentuiert werden, so wirken, als ob es viele Verfehlungen im sportlichen Handeln der Verantwortlichen gäbe. Dieses Spiel zeigte erneut, dass dies eindeutig nicht der Fall ist.
Paderborn hat in den zurückliegenden 8 Monaten unter Steffen Baumgart eine unglaubliche sportliche Entwicklung durchgemacht. Aus einer identitätslosen Mannschaft wuchs nicht nur die oft beschworene Einheit (Kapitän Strohdiek sprach sogar vom besten Teamgeist in seiner Zeit beim SCP), sondern auch ein fußballerisch hochmodernes und -interessantes Team.
So konnte sich Paderborn erneut, zum dritten Mal in Folge, gegen einen nominell besseren Gegner aus der zweiten Bundesliga durchsetzen. Entscheidend ist dabei nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Art und Weise, in welcher Ingolstadt über weite Strecken beherrscht wurde. Letztendlich fiel der Sieg noch deutlich zu niedrig aus.
Dementsprechend bitte ich darum, meine Analysen als das wahrzunehmen, was sie sein sollen: Erklärungsversuche und Verbesserungsvorschläge auf der Basis eines riesigen Respekts für die Leistungen der sportlichen Leitung und insbesondere des Trainerteams um Steffen Baumgart.
Mannschaftsaufstellungen

Paderborn startete, ausgenommen des obligatorischen Wechsels auf der Torhüterposition, mit der selben Aufstellung wie in den zurückliegenden beiden Partien. In der Defensive bildete sich ein 4-4-2 mit leichten Tendenzen zum 4-1-3-2. Die Gäste aus Ingolstadt starteten aus einem recht engen 4-1-2-3, bei dem insbesondere die hohen Achterrollen auffielen.
Offensive Ingolstadt
In kontrollierten Ballbesitzphasen bauten die Schanzer aus dem besagten 4-1-2-3 auf, die Außenverteidiger blieben dabei zunächst recht tief, dafür rückten die beiden Achter Morales und Cohen höher und hielten sich hinter der relativ engen Sturmreihe auf.

Paderborn agierte im Angriffspressing gewohnt intensiv aus einer grundsätzlich mannorientierten Zuordnung. Ziel des Pressing war es den Spielaufbau auf den als Schwachstelle ausgemachten Matip zu leiten. Dafür lief Michel den Ex-Paderborner Wahl bogenförmig von außen an. Sobald der einzige offene Pass, auf den Nebenmann, erfolgte, presste Michel durch und auch Srbeny rückte vor. Jimmy verstellte gleichzeitig die Passoption auf Levels. Damit konnte Matip zu Entscheidungen gezwungen werden. Diese bestanden vor allem in Flugbällen auf den weit vorgerückten Morales.
Dieser zeigte zwar seine Qualitäten in der Annahme und Verarbeitung dieser hohen Zuspiele, befand sich allerdings in einer ungünstigen Position. In seinem Rücken rückte oft einer der Innenverteidiger risikoreich heraus, zudem befanden sich Krauße und Wassey meist in unmittelbarer Nähe.

Falls der Ball dennoch gehalten werden konnte, wurden Läufe hinter die herausrückenden Paderborner Außenverteidiger fokussiert. Dafür ließ sich einer der Ingolstädter Außen, meistens Pledl, für einen Pass fallen, um den Ball auf die diagonal einsprintenden Lex und Lezcano zu spielen. Paderborn hatte zwar Probleme diese Läufe zu verteidigen (meistens musste Krauße von der Sechserposition mitlaufen), allerdings bestand aufgrund der geräumten Mitte kaum Präsenz in gefährlichen Zonen.
Im weiteren Verlauf der Partie wurde diese Schnittstelle auch durch Andribbeln eines hervorgerückten Außenverteidigers angespielt, falls sich Ingolstadt zuvor flach lösen konnte. Dies gelang insbesondere dann, wenn Zolinski oder Jimmy kleinere Stellungsfehler machten und der Passweg von Matip auf Levels geöffnet war.
Alles in allem waren die Ingolstädter Angriffe auf diese Weise kaum gefährlich, zumal Steilpässe auf dem extrem glatten Rasen oft zu steil gerieten. Falls er doch erlaufen werden konnte, fanden sich zentral nur Cohen und teils Lezcano für die Flanke. Paderborns Innenverteidigung war dagegen körperlich eindeutig im Vorteil.
Paderborner Aufbauspiel, Defensive Ingolstadt

Ingolstadt agierte vor allem im Mittelfeld recht klar mannorientiert. Morales verfolgte Krauße bis vor den Paderborner Strafraum, Cohen deckte Wassey, Träsch balancierte sich gegenläufig zu Cohen die geöffneten Räume und übernahm gegebenfalls Srbeny, sollte dieser zurückfallen.
Ingolstadt Angriffsreihe versuchte gerade zu Beginn des Spiels, den Paderborner Aufbau hoch zuzustellen. Insbesondere sollte das Spiel vom spielstärkeren Paderborner Außenverteidiger Boeder weggelenkt werden. Dafür positionierte sich Lex als Linksaußen der Schanzer nahe an Strohdiek im Passweg zu Boeder, während Lezcano sich als Mittelstürmer an Schonlau orientierte.

Allerdings lösten sich diese stabilen Zuordnungen bei Ingolstadt auf, sobald der Ball in der tiefen Torwartkette zirkuliert wurde. Hier konnte sich einer der Außenverteidiger tief fallen lassen um so anspielbar zu werden. Danach gab es zwei grundsätzliche Muster: entweder der Außenverteidiger dribbelt einige Meter nach vorne, um den Pass auf Krauße und die anschließende Verlagerung zu suchen. Alternativ konnte direkt oder nach einem weiteren Dribbling ein möglichst flacher Pass ins Sturmzentrum gespielt werden.
In diesem zeigte sich Paderborn mit einer verbesserten Positionsfindung von Michel und Srbeny, welche sich deutlich gestaffelter anboten. Die Anspiele wurden von Paderborn dabei so gewählt, dass insbesondere der hinter Morales geöffnete Halbraum vor der Abwehr bespielt werden konnte.
Ein riesiges Kompliment geht an Torwart Ratajczak, der trotz des schlechten Rasens auch riskante Schnittstellenpässe und Verlagerungen präzise an seine Mitspieler brachte. Die enorme Entwicklung, die beide Paderborner Torhüter im fußballerischen Bereich gemacht haben, spricht für das Trainerteam und insbesondere Torwarttrainer Burchert.
Konter Paderborn
Da Ingolstadt im Gegensatz zu den sonstigen Paderborner Gegnern in der dritten Liga in weiten Teilen des Spiels im aggressiven Pressing agierte, öffneten sich zwischen Angriff und Verteidigung Räume für Schnellangriffe.
Bei solchen raumgreifenden Angriffen sowie bei Kontern, welche in diesem Spiel vor allem aus der Unzahl an Ecken und Freistößen folgten, zeigte Paderborn ein klar erkennbares, wiederkehrendes System.

Im Fokus dessen stehen die Bewegung und Positionierung der vier vordersten Paderborner Spieler. Dies waren in diesem Spiel meistens Jimmy, Michel, Srbeny und Zolinski, allerdings gab es auch Angriffe, bei denen Wassey oder Krauße einen Part übernahmen.
Bei Paderborn bildete sich bei jedem (wirklich jedem) Konter dieselbe 1-3-Struktur aus. Der ballführende Spieler, meist Srbeny bewegte sich mit dem Ball auf dem direkten Weg zum Tor. Vor ihm drückten die drei verbleibenden Spieler die Abwehr nach hinten. Dabei bewegten sie sich unison auf der gleichen Höhe. Die beiden äußeren Spieler hielten die Breite des Strafraums.
Individualtaktisch versuchten gerade Jimmy und Zolinski sich in den Rücken ihrer Gegenspieler zu begeben, um aus der Blind Side kommend einen Steilpass fordern zu können. Durch subtil diagonale Läufe des Ballführers wurde die Aufmerksamkeit der Gegenspieler von diesen Positionierungen weggelenkt.
Interessant war vor allem, dass sie genaue nominelle Besetzung der Rollen in diesem Kontersystem irrelevant war. Erhielt in der Einleitung beispielsweise Zolinski den Ball auf seiner Seite, so suchte er den diagonalen Weg in die Mitte des Spielfeldes: Michel übernahm sofort die Position auf der rechten Seite, während Srbeny zentral in die Tiefe ging.
Standardsituationen
Zur Geschichte dieses Spiels gehören auch die extrem vielen Standardsituationen. Über die Dauer der Partie gab es 19 Ecken (9-10) und 32 Freistöße (16-16). Entsprechend möchte ich an dieser Stelle noch einige Worte darüber verlieren.
Paderborn verteidigt sowohl Ecken als auch tiefe Freistöße aus in einer raumorientierten 4-4 Staffelung, welche von den verbleibenden Spielern ergänzt wird. Bei einer raumorientierten Spielweise können Probleme durch Mismatches, also Duelle zwischen stark unterschiedlich großen und kopfballstarken Spielern entstehen. Allerdings fokussierte Ingolstadt nie eine solche Überlegenheit, von den 26 Standards wurde so nur ein einziger gefährlich.

Die eigenen Ecken spielte Paderborn gegen die gemischte Deckung der Ingolstädter sehr interessant aus. Der FCI hält grundsätzlich eine Manndeckung, welche durch zwei Spieler am kurzen und langen Pfosten ergänzt wird.
Paderborn bespielte diese Staffelungen indem sich die beiden initial am Fünfer positionierten Spieler nach außen bewegten und so den Raum für die zentral davor einlaufenden Innenverteidiger Strohdiek und Schonlau öffneten.
Gerade in der ersten Hälfte funktionierte diese Taktik sehr gut und führte zu Kopfballchancen aus der Kurzdistanz.
Weitere Auffälligkeiten
Im Spielverlauf wurde die Besetzung der AV-Position beim SCP erneut deutlich assymetrischer. Herzenbruch blieb häufiger tief und konnte so Boeders Vorstöße absichern. Aus der tieferen und zentraleren Position ergaben sich zudem noch weitere interessante Aspekte. So konnte Herzenbruch bei Flugbällen auf Mittelstürmer Lezcano das Kopfballduell im Zentrum führen, was (hinter ihm) die Absicherung in der Zentrale vereinfachte. Zudem wurden die teils breiten Positionen von Wassey, mit welchen er Passwege ins Zentrum öffnen konnte, ausbalanciert.
Nach dem Rückstand wurde beim FCI Stürmer Kutschke eingewechselt, um die Präsenz bei Flugbällen und Flanken zu erhöhen. Allerdings ist er trotz seiner Körpergröße kein Zielspieler, der Bälle festmachen kann. Vielmehr hatte die Umstellung einen negativen Effekt auf Ingolstadts Spiel. So verblieben nur noch zwei Spieler im Mittelfeld, von denen sich Morales noch enorm offensiv bewegte. Konter für Paderborn wurden so einfacher und häufiger.
Fazit
Letztendlich hätte der SCP aus seinen Kontergelegenheiten noch mehr Tore erzielen können und müssen. Nichtsdestotrotz steht am Ende dieses Spiels ein souveräner und vor allem hochverdienter Sieg gegen eine der Spitzenmannschaften der 2. Liga. Die Mannschaft hat damit erneut alle Erwartungen übertroffen und gezeigt, dass auch eine Liga höher alles möglich ist.
4 Kommentare zu „Der Zug rollt eine Runde weiter“