Im Osten viel Neues

Nach einer recht kurzen Winterpause mit einem Trainingslager in der Heimat und drei Testspielen stand für den SC Paderborn das erste Heimspiel gegen den Chemnitzer FC an. Nach einer schwachen, wenn auch spielerisch ansprechenden, Hinrunde unter Horst Steffen wechselte der CFC in der Pause den Trainer, David Bergner übernahm.  Nach einem anfangs ausgeglichenen Spiel konnte der SCP einen 2:0 Sieg einfahren.

Mannschaftsaufstellungen

Chemnitzer FC - SC Paderborn.png

Paderborn formierte sich in seiner üblichen 4-4-2 Formation, diese wurde mit symmetrischer Abwehrkette und zwei recht hohen Sechser gespielt. Neuzugang Tietz wurde erst in der 78. Minute eingewechselt. Chemnitz begann ebenfalls in einem 4-4-2, welches mit einem Fokus auf Kompaktheit ausgeführt wurde.

Offensive Chemnitz, Abwehrprobleme SCP

Der strategische Chemnitzer Fokus auf die Defensivphase machte sich im Vergleich zum Angriffsspiel deutlich bemerkbar. Von den guten Strukturen und flachen Aufbauversuchen unter Horst Steffen war nun recht wenig zu sehen. Vielmehr bestand der offensive Plan in langen Bällen auf Zielspieler Slavov, welche abgelegt oder verlängert werden sollten.

Dies entspricht eigentlich der üblichen Vorgehensweise der Paderborner Gegner, allerdings zeigte der Sportclub in diesem Spiel erhebliche Probleme. Dies war vor allem einer, wahrscheinlich ungeplanten, Veränderung im Defensivspiel geschuldet. Normalerweise fällt der SCP bei gegnerischen Abstößen in eine 4-1-4-1 Staffelung zurück, in welcher bei Kopfallduellen unmittelbare Unterstützung und eine gute Staffelung für etwaige zweite Bälle gegeben ist. Befreiungsschläge gegen das Paderborner Angriffspressing werden mit Unterstützung des tief bleibenden Krauße und ausgewogenem Herausrücken der Innenverteidiger verteidigt.

Chemnitzer FC - SC Paderborn DEF1
Paderborn befindet sich zentral in Unterzahl. Durch leicht veränderte Positionierung wäre dies zu beheben.

In diesem Spiel aber bildete Paderborn seine Struktur inkonsequent, Wassey blieb oft zu hoch, Jimmy und Zolinski in zu breiten Positionen. Dadurch nahm die Präsenz in der Spielfeldmitte ab, Chemnitz konnte den Ball einige Male ablegen und sich so Torchancen erspielen. Auch im individualtaktischen Verhalten zeigten sich ungeahnte Paderborner Schwächen. So schloss die Kette Räume hinter herausrückenden oder auf der Seite verteidigenden Spielern zu langsam, die geöffneten Schnittstellen konnten von Chemnitz zu Torchancen, wegen schwachem Abschlusses aber nicht zu Toren, genutzt werden.

Im weiteren Verlauf des Spiels fand Paderborn in seinen Rhythmus zurück. Abstände wurden enger, Bewegungen abgestimmter, die Gefahr eingedämmt.

Defensive Chemnitz

Nachdem Chemnitz in der Hinrunde die schlechteste Abwehr in der Liga stellte, machte sich Trainer Bergner daran, die Probleme zu beheben. In der Vergangenheit war vor allem die vertikale Kompaktheit der Chemnitzer tödlich. So fiel die Abwehr zurück, wurde dabei aber nicht vom Mittelfeld unterstützt. andersherum wurde aus dem Mittelfeld gepresst, ohne dass die Abwehrkette aufrückte.

Chemnitzer FC - SC Paderborn OFF4
Grundsätzliche Chemnitzer Struktur im tiefen Mittelfeldpressing.

Im ersten Spiel des neuen Jahres zeigten sich diesbezüglich bereits deutliche Fortschritte. Im Mittelfeldpressing aus einem 4-4-2 war Kompaktheit das höchste Gebot. dafür blieben die Stürmer meistens tief, Pressing auf die Innenverteidiger wurde zumeist unterlassen. Wenn der Pass auf den Außenverteidiger erfolgte, rückte der zugehörige Flügelspieler heraus. Die Doppelsechs blieb sehr zentral.

Diese Anpassungen hin zum standardmäßigen DFB-System halfen Chemitz zwar erkenntlich, allerdings ist Taktik immer nur ein kleiner Aspekt, wenn die Spielerqualität fehlt. Dies ist bei Chemnitz ganz klar der Fall, gerade in der Orientierung und Kommunikation untereinander, wurden weiterhin erschreckenden Fehler gemacht. Einige  Male versuchte ein Innenverteidiger eine Abseitsfalle zu bilden, während sein Partner den Lauf in die Tiefe mitging.

Paderborner Werkzeugkasten

Zum Ende der Hinrunde wurden die Paderborner Probleme gegen tiefstehende Gegner offensichtlich. Entsprechend setzte Trainer Steffen Baumgart in der Wintervorbereitung einen Fokus auf die Offensive. Während strategische Anpasungen ausblieben, waren die neuen taktischen Elemente, welche sich erheblich von meinen eigenen Vorschlägen unterscheiden, im Spiel bereits klar ersichtlich. Insbesondere an gruppentaktischen Bewegungen auf der Außenbahn schien intensiv gearbeitet worden zu sein.

Die Außenverteidiger spielten im Paderborner Aufbau schon immer eine bedeutende Rolle. Als nominell freie Position gegen zentral orientiertes Pressing haben sie am meisten Zeit und Raum am Ball. Bisher wurde dies vor allem dazu genutzt, Flugbälle über das gegnerische Mittelfeld anzubringen.

Chemnitzer FC - SC Paderborn OFF1
Der Diagonalpass wird durch die zentrale Position der Sechser möglich, die Kette ist durch das Herausrücken des Außenverteidigers gestreckt.

Gegen Chemnitz wurden diese Pässe ins Zentrum flach angebracht. Aus ihrer recht flachen Position in der Viererkette rückten die Außenverteidger vor, bis sie vom Flügelspieler angegriffen wurden. Gleichzeitig kam der Paderborner Außenstürmer entgegen, und zog so seinen Gegner mit. Die verbleibenden drei Abwehrspieler versuchten, die gesamte Horizontale zu decken und konnten so schlechter herausrücken. Gleichzeitig schob die Chemnitzer Doppelsechs nicht genug herüber, sodass der diagonale Passweg vor die Abwehr offen war.

Falls der Gegner im Pressing weiter aufgerückt war, wurden diese diagonalen Pässe hinter die Abweht, in den Lauf von Michel und/oder Srbeny gespielt.

Chemnitzer FC - SC Paderborn OFF2
Zwei Doppelpässe, viel Dynamik – 

Falls der diagonale Passweg, vor allem durch seitlicheres Anlaufen des Flügelstürmers, gedeckt war, gab es eine weitere, in ihrer Häufigkeit neue, Kombination zu sehen. Der entgegenkommende Flügelstürmer wurde scharf für eine Ablage angespielt, diese erfolgte nach kurzem Ballhalten nach innen. Der Außenverteidiger unterläuft den Flügelstürmer gleichzeitig.

Nachdem er den Ball erhalten hat, stehen aus der wertvollen Position im offensiven Halbraum mehrere Optionen zu Verfügung. Da die Spielfeldmitte meist durch die weiter zurückfallenden Sechser verengt wurde, präferierte man den Steilpass auf den Flügel.

Chemnitzer FC - SC Paderborn OFF3
Cutback gegen rückwärtsgewandte gegnerische Dynamik

Von dort aus konnte man ein weiteres neues Element erkennen. Die Flanken wurden nicht schon aus tieferen Positionen hereingeschlagen, sondern erfolgten flach von der Grundlinie aus. Diese „Cutbacks“ sind für den Gegner deutlich schwieriger zu verteidigen als klassische, hohe Flanken, da sie gegen die Dynamik des Zurückfallens gehen und schlicht schneller sind.

Die gute Abstimmung zwischen dem Paderborner Sturmduo wurde in der ausgewogenen Raumbesetzung bei diesen Aktionen deutlich. Der ballnahe Stürmer setzte meist einen Lauf auf den kurzen Pfosten an, während der Ballferne sich in den nun freien Rückraum schlich.

Chemnitzer FC - SC Paderborn OFF5
Paarbewegung, um den Stürmer auf der Außenbahn anspielbar zu machen.

Zuletzt gab es interessante Paarbewegungen zwischen den Stürmern und Flügelspielern zu sehen. In diesen bewegte sich der Flügelstürmer im Blickfeld des gegnerischen Außenverteidigers nach innen, dieser bewegte sich zum einen etwas mit nach innen, wendete aber vor allem seine Aufmerksamkeit auf ihn. Dies konnte ausgenutzt werden, indem der ballnahe Stürmer einen Sprint in seinem Rücken ansetzte, um den Ball außen zu erhalten. Der Innenverteidiger verfolgte diesen Lauf nicht, da er dafür die Mitte hätte öffnen müssen.

Je länger das Spiel lief, desto chaotischer wurden Chemnitzer Defensive und Paderborner Offensive. Chancen wurden so vor allem durch wenig vorbereitete Steilpässe durch die Abwehr herausgespielt.

Weitere Beobachtungen

Im gesamten Spiel bewegte sich Krauße höher als gewohnt. Dies war vermutlich eine Anpassung auf die mangelnde vertikale Kompaktheit, die Chemnitz in der Vergangenheit zeigte. In der aufgerückten Position angespielt, hätte er den Gegner vor größere Probleme gestellt. In dieser Partie war die Positionierung eher kontraproduktiv. In der engen Staffelung war er kaum anspielbar, fehlte aber im defensiven Umschalten im Raum vor der Abwehr.

Dieser Effekt wurde in in besonderem Maße dadurch verstärkt, dass Wassey sich verhielt wie Arturo Vidal, wenn er zu viel Cola getrunken hat (oder für La Roja spielt). Unsinnigerweise fiel er in druckfreien Situationen ins Abwehrzentrum oder in den Außenverteidiger-Raum zurück. Er zeigte sich auch in den seitlichen Kombinationen überpräsent, überlief oft als breitester Spieler, um dann hohe Flanken anzubringen (Ich dachte dass hätten wir gelernt). Er befand sich quasi überall, außer im zentralen Mittelfeld. Entsprechend stand der linke defensive Halbraum zu häufig frei.

Paderborn kontert weiterhin überragend. In jeder Situation werden rechts und links vom Ballführenden Tiefenläufe angeboten. Srbeny überläuft Jimmy, Wassey unterläuft Michel. Die Spieler wechseln, das System bleibt. (Gleiches gilt übrigens auch für die Ecken)

Fazit

Paderborn zeigt zum Start ins neue Jahr gute Vorsätze, die einstudierten Kombinationen in der Offensive wissen zu gefallen. Defensiv muss die Lethargie abgeschüttelt werden, um gegen stärkere Gegner stabil zu punkten. Chemnitz kann aus den guten defensiven Ansätzen und Torchancen Hoffnung ziehen. Mit personellen Verstärkungen in der Defensive (fragt mal Magdeburg) ist der Klassenerhalt sicherlich noch drin.

 

 

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