Am 33. Spieltag der Saison traf der SC Paderborn auf den FC Carl Zeiss Jena. Nachdem man in der Hinrunde noch eine empfindliche 3:1-Niederlage wegstecken musste, konnte der SCP nun seiner guten Form gerecht werden und Jena, auch in der Höhe hochverdient, mit 6:0 abfertigen.
Mannschaftsaufstellungen
Steffen Baumgart scheint mittlerweile seine Stammelf für die Rückrunde gefunden zu haben. Wie bereits in Bremen und Aalen formierte sich die Viererkette um Strohdiek und Schonlau auf der linken Seite mit Jamilu Collins. Die Aufstellung des oft nach innen ziehenden Klement auf dem rechten Flügel sorgt für eine klare Assymetrie im Mittelfeld, bei der die rechte Seite teils nur vom weit vorrückenden Rechtsverteidiger Boeder besetzt wird.
Zwei aufeinanderfolgende Englische Wochen zwangen Mark Zimmermann dazu, vier Änderungen in der Startelf vorzunehmen: Cros, Starke, Theiele und Günther-Schmidt rotierten in die Mannschaft, die sich in einer klaren 4-4-2-Austellung formierte.
Angriffsversuche Jena
Auch wenn es bei einem Endstand von 6:0 absurd klingen mag, war Jena zu Beginn des Spiels nicht chancenlos. Da Paderborn im Spielaufbau einige Fehler machte, kam der Gegner in hohen Positionen an den Ball und somit zu potenziell vielversprechenden Kontermöglichkeiten.
Während diese unfokussiert vergeben wurden, da durch das Herausrücken der Paderborner Innenverteidigung geöffnete Schnittstellen nicht bespielt wurden, war die Idee in geordneten Angriffsphasen deutlich klarer. Gegen das Paderborner Pressing, bei dem klare Mannorientierungen mit einem Anlaufen aus tieferen Positionen verbunden wurden, sollten die Flügel gesucht werden.

Dies führte zum Einen zu wenig durchschlagskräftigen linearen Kombinationen am Flügel, zum Anderen aber zu sehr interessanten Paarabläufen gerade auf der rechten Seite.
In Antizipation einer Spielverlagerung positionierte sich der rechte Außenverteidiger sehr hoch und damit nur wenige Meter vom ebenfalls breit verbliebenen Flügelspieler entfernt. Sobald die ballferne Verlagerung zum Außenverteidiger kam, musste Collins herauspressen, um Druck herzustellen. Gleichzeitig bewegte sich Wolfram gegenläufig in die Tiefe und konnte den von Brugmann gespielten Chipball mit deutlichem Tempovorteil gegen die in Vorwärtsbewegung befindliche Paderborner Abwehrreihe erhalten.
Paderborner Torfestival
Ich habe bezüglich fast jeden Spiels die Bedeutung des Andribbelns der Innenverteidiger für den Paderborner Spielaufbau herausgestellt, In Jena scheint man dies ebenso bemerkt (oder gelesen) zu haben. In tiefen Paderborner Ballbesitzphasen orientierten sich die Stürmer nicht wie üblich an Sechser Krauße, sondern lediglich an Innenverteidigern und Raumaufteilung (wenn die Formation zu weit gestreckt war, pressten sie nicht). Gleichzeitig verblieb die restliche Formation recht kompakt, wobei in klaren Zuordnungen (ich muss euch nicht sagen, wer auf wen ging, oder?) gepresst wurde.
Dass diese Strategie nicht wirklich funktionierte, zeigte sich recht schnell. Da beide Stürmer sich in breiten Positionen befanden, sobald ein Querpass zwischen den Innenverteidigern erfolgte, war Krauße unter Einbindung von Zingerle einfach anspielbar. Weil zudem die Mannorientierungen nicht sonderlich strikt umgesetzt wurden, konnte Krauße sich einfach aufdrehen, und den für Ablagen entgegenkommenden Tietz vor der gegnerischen Abwehr suchen.
Als sich Eckardt in Reaktion früher in den Zweikampf mit Krauße begab, gab es eine Anpassung mit einer Vielzahl an Folgen zu sehen. Wie bereits in vergangenen Partien bewegte sich Klement in die Mitte und agierte in Ballbesitz als Achter. Dadurch konnte man, in Anbetracht dessen, das diese Bewegung unglaublicherweise nie auch nur im Ansatz aufgenommen wurde, eine konstante 3v2 Überzahl im Zentrum kreieren.
Diese zahlte sich zwar unmittelbar durch bessere Anschlussoptionen für Krauße aus, wurde aber nicht so plump zur Erfolgsgarantie wie gegen Bremen und Aalen. Natürlich hatten Klement und vor allem Ritter starke Momente, wenn sie den Ball im Halbraum erhielten und treiben konnten, allerdings fiel mir ein spezieller Ablauf mehr ins Auge.
Während auf die Innenverteidiger gepresst wird, fällt Krauße zwischen die beiden zurück und bildet eine kurzzeitige Dreierkette, die einen numerischen Vorteil gegen das Zwei-Mann-Pressing hat. Weiter vorne orientieren sich Jenas Sechser auf die etwas breiter stehenden Klement und Ritter und vernachlässigten dabei die zentrale Schnittstelle. Ebendiese wurde aber genutzt, Tietz fiel zurück und legte den Ball auf Ritter ab, der wiederum den diagonalen Tiefenlauf Michels bediente.
An dieser Stelle muss ich wohl Abbitte leisten. Nach dem wenig überzeugenden 2:0-Sieg gegen Zwickau kritisierte ich die Mannschaft und insbesondere das Positionsspiel im Zentrum scharf, nun muss ich anerkennen, dass diejenigen, die auf Twitter ihr Vertrauen in das Trainerteam äußerten, absolut im Recht waren. Während die passende Besetzung des Mittelfelds bereits in den vergangen Spielen instrumental war, konnte man jetzt erkennen, wo genau es hingehen soll.
Wenn man das Feld entsprechend der durch Pep Guardiola bekannt gewordenen Aufteilung in fünf Vertikale Zonen trennt und zudem den Bereich innerhalb der gegnerischen Formation in drei horizontale Streifen, ergeben sich in Breite der Halbräume neun verschiedene Zonen. Die Regel scheint zu besagen, dass sowohl in Breite als auch Höhe jeder Streifen nur einfach besetzt werden soll.
Diese Vermutung mag vielleicht weit hergeholt wirken, könnte aber, gerade in Anbetracht dessen, das im Training eine ähnliche Feldteilung verwendet wird, der Realität entsprechen. Guckt euch einfach mal Phasen der zweiten Hälfte an und entscheidet für euch selbst.
Wenn man sich nur die Zusammenfassung des Spiels anguckt, könnte man nun fragen, inwiefern all die beschriebenen Aspekte überhaupt etwas mit dem Ergebnis zu tun haben. Die Antwort darauf ist zweierlei. Zum Einen hilft eine stabile Positionsstruktur erheblich in allen Phasen des Spiels, Spielaufbau, aber auch Angriffe und Gegenpressing ergeben sich aus der Positionierung. Zum Anderen waren solche, eher komplexen Zusammenhänge gegen Jena gar nicht erst nötig.
Die Mehrzahl der Paderborner Angriffe ergaben sich wie der Titel dieses Artikels aus mehr oder weniger langen Bällen hinter (und zumeist über) die Abwehr. Die Entstehung dieser ist vielseitig. Von oben beschriebenen Ablagen mit Steilpass als Anschlussaktion bis hin zu Pässen aus der Innenverteidigung war alles dabei.
Die Konstante war schlicht und einfach das Unvermögen der Jenaer Abwehrreihe, adäquat auf diese Bälle zu reagieren. Gruppentaktisch fehlte die Kollektivität in der Rückzugsbewegung sowie die Absicherung hinter den herausrückenden Innenverteidigern. So wurde die Lücke von den verbleibenden drei Spielern der Kette nicht vorrausschauend geschlossen, sondern anscheinend erst bemerkt, als es bereits zu spät war. Auch die Vororientierung und Bereitschaft, Tiefenläufe zu verfolgen, ließ gänzlich zu wünschen übrig. (Übrigens auch eines der Probleme des BVB, Insbesondere unter Bosz.)
Individuell lässt sich über die Endgeschwindigkeit keine Kritik fällen, wohl aber über Handlungsschnelligkeit und Einschätzung der Flugkurve eines Balles. Während ich diesen Fehler in der ersten Hälfte noch der entgegenscheinenden Sonne zusprechen wollte, so fällt dieses Argument in der zweiten Halbzeit komplett aus.
Auch das Nachrücken der zuvor eigentlich kompakten Defensive blieb nahezu vollständig aus. Auch wenn man nicht direkt zum Abschluss kam, konnte Paderborn mit der weit gestaffelten, unkompakten und chaotischen Defensive Katz und Maus spielen. Jena geriet dabei in Panik, vergaß den Rückraum, in dem sich Michel ein ums andere Mal wegschleichen konnte und kassierte so Tor um Tor um Tor…
Überhaupt zeigte sich Paderborn in der Offensive gut abgestimmt. Tietz‘ Koordinationmängel wurden zwar überdeutlich, dennoch konnte er sowohl für Verlängerungen und Ablagen, als auch für Tiefenläufe dienen. Michel machte erneut ein überragendes Spiel und nutzte die Lücken und Fehler in der Jenaer Abwehr perfekt aus. Mit etwas mehr Abschlussglück wären auch sechs Tore möglich gewesen.
Fazit
An dem Punkt, wo jeder lange Ball zu einer Torchance führt, gerät Taktik in der öffentlichen Betrachtung deutlich in den Hintergrund. Dennoch ist der Paderborner Sieg nicht nur individueller Klasse zuzuschreiben sondern auch das Resultat von überlegenem taktischen und kollektiven Verhalten. In Jena sollte man sich darauf konzentrieren, anstatt einzelnen Spielern die Gesamtschuld zuzuschreiben.
Paderborn macht durch diesen Sieg einen weiteren Riesenschritt in Richtung Aufstieg. Durch die erneute Niederlage von Wehen Wiesbaden baut sich der Abstand auf den Relegationsplatz auf 8 Punkte aus, sodass man vielleicht schon im Spiel gegen den Verfolger aus Wiesbaden den Aufstieg in der Tasche hat.