Der SC Paderborn hat es geschafft.
Mit einem 3:0 Sieg gegen die Spielvereinigung Unterhaching konnte man sich den lange ersehnten und in den letzten Wochen immer mehr erwarteten Aufstieg in die zweite Liga sichern. Dass dieser Aufstieg nicht mit den bisherigen der Vereinsgeschichte gleichzusetzen ist, wird sowohl im Bezug auf diese einzelne Partie, als auch mit Blick auf die Tabelle klar.
Während der historische Bundesliga-Aufstieg im Schatten des 1.FC Köln erst am nervenaufreibenden letzten Spieltag der Saison 2013/14 gefeiert werden konnte, gestaltete sich der zuvor einzige Aufstieg aus der dritten Liga noch knapper. In einer (eher personell als sportlich) wechselhaften Saison 2008/09 konnte man sich im Schlussspurt noch auf den dritten Platz vorschieben, um die folgende Relegation gegen den VfL Osnabrück für sich zu entscheiden.
Dieses mal war von Spannung und Dramatik nur wenig zu spüren. Der SCP erreichte am 4. Spieltag zum ersten Mal die Tabellenspitze und sollte sie, bis auf zwei kurze Ausleihen an die Magdeburger Mitaufsteiger, nicht mehr abgeben. Zum aktuellen Zeitpunkt stehen aus 35 Spieltagen 29 Tabellenführungen zu Buche. Auch die anderen Statistiken sind eines Aufsteigers mehr als würdig, allein in diesem Spiel wurden der ewige Torrekord um zwei Treffer überboten, sowie eine neue Bestmarke für die Zeitspanne ohne Gegentor aufgestellt.
Wie es dazu kam, werde ich im Folgenden ausführen:
Mannschaftsaufstellungen

Die Spielvereinigung Unterhaching lief mit 4 Änderungen in der Startformation auf. Insbesondere Top-Vorlagengeber Sasha Bigalke, ersetzt von der Hamburger Leihgabe Porath, wurde schmerzlich vermisst. Nichtsdestotrotz konnte Haching auf eine individuell starke Mannschaft um dessen kongenialem Partner und nicht-mehr-Toptorschützen Stephan Hain zurückgreifen.
Anders als bei der Spielvereinigung und ganz getreu getreu dem Motto „never change a winning team“ blieb im Paderborner Kader alles beim Alten… wobei „beim Alten“ vielleicht etwas übertrieben ist… das Team, dass zuletzt für die Rekordserie von drei Spielen mit 16:0 Toren verantwortlich zeichnete, fand erst am 31. Spieltag zusammen, kurz nachdem eine Ergebniskrise den Nichtaufstieg als Möglichkeit erscheinen ließ.
So nimmt man nun vieles als Normalität wahr, was in der Winterpause noch als Kuriosität verschrien worden wäre.
Boeder als einsamer Flügelläufer? – Warum nicht?
Spielen ohne echten Rechtsaußen? – Natürlich…
Tietz als nach außen weichender Stürmer? – Seine beste Rolle.
Herzenbruch, Zolinski und Wassey auf der Bank? – Es können halt nur 11 spielen.
Jimmy mit Torgefahr? – Ok, dem Braten traue ich noch nicht so ganz.
Dinner for One
Auch wenn es mich ziemlich schmerzt, kann ich nicht sonderlich viele neue Worte über die Paderborner Spielweise verlieren. In der Offensive sind die Muster so bekannt und scheinbar repetitiv wie sonst nur das „Dinner For One“. Und genauso wie dieses Meisterwerk der Schauspielkunst funktioniert die Paderborner Spielweise anscheinend zeitlos und unabhängig vom Publikum (und viel mehr stellen die Gegner aktuell nicht dar).
Aus der breit auffächernden Innenverteidigung werden möglichst tiefe Vertikalpässe für Ablagen in den Fuß der Stürmer gespielt. Gleichzeitig begibt sich Klement ins Zentrum, um eine weitere kurze Anspielstation zu schaffen und Überzahl in der Spielfeldmitte herzustellen. Ob diese in der aktuellen Form von Krauße und Ritter überhaupt vonnöten ist, sei zwar dahingestellt, allerdings zeigen Spiele und Ergebnisse der letzten Wochen den Einfluss dessen, die drei besten Mittelfeldspieler der Liga (Ui, jetzt hab ich es gesagt) gleichzeitig auf dem Platz und im Zentrum des Spiels zu haben.
Die genaue Ausgestaltung der Angriffe gestaltet sich flexibel, sobald der Ball ins Mittelfeld gelangt ist. Von Verlagerungen über Chipbälle bis hin zu Dribblings, One-Touch-Kombinationen und Distanzschüssen ist alles dabei und auf einem gruppentaktisch hohen Niveau.
Und ebenso wie einem erst beim alljährlichen Gucken des „Dinner For One“ einzelne Witze wieder ins Gedächtnis kommen, so fallen auch im Paderborner Spiel immer wieder vergessen geglaubte Aspekte auf. Während das Umschaltmoment in den vergangenen Spielen kaum zum Tragen kam, sorgten Konter für ständige Gefahr vor dem Gästetor – Genauso wie in der Hinrunde, genauso wie im Pokal.
In diesem Kontext ist Sven Michel hervorzuheben , der mit seiner Kombination aus kruden gegenläufigen Bewegungen und unorthodoxer Ballführung (inklusive unbeabsichtigter Körpertäuschungen) einen einmaligen Spieler in der Liga darstellt. Mir fallen spontan zwei Spieler ein, die einen dieser Teilaspekte, wenn auch auf deutlich höherem Level, zur Perfektion gebracht haben. (ratet mal)
Ausgekreist
Es hatte seinen Grund, dass Paderborn in diesem Spiel mal wieder zu Konterchancen kam. Während die Hachinger Defensive mit zwei flachen Viererketten und recht inaktiven Stürmer dröger Liga-Standard ist, und somit nur kaum als Erklärung für die geöffneten Räume dienen kann, liegt des Pudels Kern in der Offensiven Ausrichtung und der Unmöglichkeit, schnell aus dieser umzuschalten.

Haching formierte sich in einer Staffelung, die ich in dieser Form zuletzt vor mehreren Jahren in der Bundesliga gesehen hatte und die ich hoffte nie wieder sehen zu müssen. Die gesamte Mannschaft verteilte sich auf lediglich zwei Linien.
Dies ergab sich dadurch, dass Ki[…] sich im Ballbesitz deutlich nach vorne, zumeist rechts neben Hain in die Offensivreihe, begab, während Stahl tief blieb und gelegentlich zwischen die Innenverteidiger abkippte. Gleichzeitig blieb die Viererkette sehr flach, die Außenverteidiger postierten sich im Aufbau nur unwesentlich vor der Innenverteidigung.
Das Ziel dieser Taktik bestand ganz offensichtlich darin, dass Paderborner Pressing zu umgehen und in der letzten Reihe eine Überzahl zu schaffen, durch die lange Bälle behauptet werden sollten.
Zumindest im ersten Aspekt hatte Haching Erfolg. Aufgrund der flachen Positionen der Außenverteidiger konnte der SCP, in Beibehaltung seiner Ordnung, nur unzureichenden Druck herstellen. Gerade die Pressingwege der Außenspieler Jimmy und Klement waren zu weit, um Druck aufzubauen, und frühe Ballgewinne zu provozieren.

Auch der zweite Aspekt der Taktik wurde stringent verfolgt, lange Bälle in die letzte Linie waren das hauptsächliche Mittel des Angriffsvortrag. Besonders interessant zu sehen waren Situationen, in welchen sich drei Spieler der Offensivreihe zu einem engen Dreieck an der Außenbahn ballten, in welches die Bälle folglich hineingeschlagen wurden.
Für den jeweiligen Außenverteidiger, der sich so kurzzeitig in einer 1v3-Unterzahl befand, gab es wenig Hoffnung den ersten Ball zu gewinnen, Durchbrüche an der Linie konnten erfolgsstabil geschaffen werden. Infolge dieser archaischen Angriffsmethode reagierte Paderborn ebenfalls plump, aber sehr effektiv. Nachdem der Außenverteidiger überspielt wurde, schob der nahe und danach der ferne Innenverteidiger weit auf die Seite, um den ball im Zweikampf abzujagen.
Dass dabei die Mitte geöffnet wurde, war in Anbetracht dessen, dass drei Offensivspieler des Gegners bereits auf dem Flügel waren und aus dem Rückraum keine Unterstützung erfolgte (ist halt zu weit aus der hinteren Kette), relativ egal.
Wie dieser Ablauf bereits andeutet, ist man mit einer solchen Struktur enorm unflexibel. Die Wege aus der Abwehr sind zu weit, um offensive Unterstützung anzubieten, Rückpassoptionen ins Mittelfeld erübrigen sich vollständig, Gegenpressing ist nur schwerlich möglich, das Mittelfeld immer für gegnerische Konter offen, die im Rückwärtspressing nicht abgefangen werden konnten und Haching somit das Genick brachen.
Fazit
Die Kritik, die man an Unterhaching äußern muss, fand sich in ganz ähnlicher Form in den Analysen der Paderborner Hinrunde wieder. Eine ausgeglichene, gleichmäßige und gleichzeitig funktionale Positionsstruktur ist das einfachste Maß für die (Offensiv-)taktische Qualität einer Mannschaft und gleichzeitig ein Indikator für die Konter-Anfälligkeit.
Der Fakt, dass Paderborn inzwischen mit einem großen Fokus auf das Zentrum agiert und mit den drei zentralen Mittelfeldspielern ausgewogene Staffelungen erzeugt, steht fast schon sinnbildlich für den (mir unerklärlichen) strategischen Vorsprung gegenüber einem großen Teil der Drittliga-Konkurrenz
Die anfangs angeführten Statistiken spiegeln genau das wieder, was auch in den Spielen zu erkennen ist: Paderborn ist seinen Gegner in fast allen Belangen weit überlegen. Angefangen bei der Physis und Athletik über individuelle (technische) Qualität bis hin zur ausführlich ausgeführten Gruppen- und Mannschaftstaktik ergeben die Mosaiksteine das Bild einer Mannschaft, die von vielen Seiten als beste der Drittliga-Geschichte bezeichnet wird.
Das Fazit darüber, ob diese Einschätzung der Wahrheit entspricht, obliegt anderen, aufmerksameren und längerfristigen Beobachtern als mir. Den härtesten und objektivsten Kritiker, nämlich die Tabelle, mit einer historischen Bestmarke davon zu überzeugen, wird die Aufgabe der verbleibenden drei Partien sein.