Schanzentod

In der ersten Runde des diesjährigen DFB-Pokals traf der SC Paderborn auf die Ingolstädter Schanzer. Nach einem umkämpften Spiel konnte sich der Sportclub schlussendlich dank zweier Treffer von Uwe Hünemeier und trotz ansonsten miserabler Chancenverwertung durchsetzen und in die zweite Runde einziehen.

Mannschaftsaufstellungen

SC Paderborn - FC Ingolstadt

Auf Paderborner Seite gab es im Vergleich zum Sieg gegen Regensburg drei Änderungen. Neben dem obligatorischen Pokalauftritt Ratajczaks erhielt Hünemeier an der Stelle von Schonlau das Vertrauen und zahlte dieses prompt mit einem Doppelpack zurück. Zum anderen ersetzte Ben Zolinski auf der rechten Angriffseite Schwede, der zunächst auf der Bank Platz nehmen musste. Mit diesem Personal formierte sich der SC in seiner üblichen 4-1-3-2 Formation, die durch die höhere Position Jimmys leicht asymmetrisch wurde.

Auf Ingolstädter Seite gab es im Vergleich zur Vorwoche ebenfalls drei Änderungen. Auf der Sechs wurde Kerschbaumer vom Ex-Paderborner Krauße ersetzt, während der alte Paderborner Bekannte Diawusie den rechten Flügel von Pledl übernahm. Zuletzt wurde Lezcano von Stefan Kutschke, seines Zeichens ebenfalls ehemaliger Paderborner, ersetzt, der als Zielspieler eine starke Partie zeigte. In  dieser Konstellation ergab sich eine 4-2-3-1-Struktur, welche sich durch die rechtsseitigen Bewegungen Kittels sowie das höhere Aufrücken Ananous in Ballbesitz nach rechts verschob.

Die alte Leier

Ich hatte vor der Saison große Hoffnungen, dass Paderborn einen großen spielerischen Akzent in die Liga bringen könnte. Doch vom flachen und konstruktiven, mutigen und erfolgreichem Aufbauspiel ist bislang kaum eine Spur. Anstatt den Ball zu kontrollieren, schwankt die Ballbesitzquote um 50%, statt das Spiel erfolgsstabil nach vorne zu tragen, geht ein Drittel der Pässe an den Gegner.

Aufbau 1Einer der Gründe für dieses Phänomen ist sicherlich das konstant hohe Anlaufen der Gegner. Während man die Gegner in der dritten Liga zumeist ins Mittelfeldpressing drängen konnte, ist diese Saison häufig am eigenen Strafraum Schluss. Auch in dieser Partie begegnete der FCI Paderborn hoch, stellte die Aufbaustaffelung aus breiten Innenverteidigern, hohen Außen und einem alleinigen Ankersechser eng mannorientiert zu. Bei Ingolstadt ergab sich damit eine 4-1-3-2-Struktur, in welcher Schröck eng auf Gjasula rückte, während Kittel die linke Sturmspitze übernahm und aus dieser Position Hünemeier anlief.

Klement 1

Anspiele auf die Innenverteidiger wurden dadurch ebenso zum riskanten Glücksspiel wie Chipbälle auf die relativ hohen Außenverteidiger. Die einzige erfolgsstabile Möglichkeit bestand, wie in den vergangenen Spielen auch, in einem zurückfallen Klements neben Gjasula, in eine tiefe Position, in der er initial nicht von seinem Gegenspieler  Krauße verfolgt wurde. In dieser Position konnte sich Klement wenige Male genug Platz verschaffen, um die erste Pressinglinie zu überdribbeln, bevor er vom herausstürmenden Krauße gestellt wurde.

Klement 2

Zu diesem Zeitpunkt standen ihm zwar verschiedene Optionen zu Verfügung, diese gestalteten sich aber aus verschiedenen Gründen suboptimal. Anspiele auf die vor ihm befindlichen Mitglieder der Offensivreihe  waren zwar möglich, Anschlussaktionen gestalteten sich durch das direkte Herausrücken der Verteidiger sowie die offensichtlich geschlossene Orientierung als schwierig.

Zudem bestand die Möglichkeit Dräger anzuspielen, der sich zwar häufig einen dynamischen Vorteil gegen Röcher verschaffen konnte, aus diesem aufgrund sehr linearer Bewegungen und unpassender Reaktionen der Offensivspieler nicht machen konnte.

Die vielleicht interessanteste Option bestand in einem diagonalen Anspiel des entgegenkommenden ballfernen Flügelspielers, wodurch der zugehörige Außenverteidiger herausgezogen und der Raum neben der Kette durch Weiterleitungen und frühe Tiefenläufe anspielbar wurde. Allerdings wurde diese Option nur dann möglich, wenn das diagonale Herausrücken des Sechsers den diagonalen Passweg offen ließ, in anderen Worten, nicht allzu oft.

Trotz des taktischen Werts des Anspiels auf Klement fand dieses im Verlauf der Partie immer seltener statt. Dies weist klar darauf hin, dass diese Bewegung, die Überladung des Sechserraums, kein Priorität im Matchplan darstellte. Viel öfter bewegte sich Klement ohne horizontale Staffelung direkt vor Gjasula, was Anspiele aus dem Zentrum schwierig und die Wege im zurückfallen länger werden ließ.

Zolinski 1

Stattdessen konnte sich Paderborn häufig nur durch Improvisation aus dem Ingolstädter Angriffspressing lösen. Das vielleicht beste Beispiel für eine gelungene solche findet sich in der 22. Minute. Unter Druck gesetzt bietet die aus dem offensiven Umschalten hervorgegangene Staffelung Ratajczak keine kurzen Optionen. Stattdessen reagierte Zolinski schnell und ließ sich im rechten Halbraum weit zurückfallen, von wo er nach Anspiel auf Dräger klatschen und in Kombination mit diesem das Spiel nach vorne tragen konnte.

Insgesamt zeigten diese Situationen zwar kurzzeitige Ansätze, stellten allerdings keine stabilen Lösungen her. Das Positionsspiel in der Offensive lud gegnerische Mannorientierungen geradezu ein, ohne ein Konzept dazu zu haben, einen freien Mann zu erzeugen, welcher aufgrund seiner geplanten Position und nicht aufgrund einer spontanen Bewegung anspielbar wird.

Zunächst wurden meist lange, aber immerhin flache, Vertikalpässe in die letzte Linie gespielt, welche von Michel und Tekpetey in Ermangelung einer passenden umgebenden Struktur mit stabilen Anspielstationen zur Seite abspielen mussten, wo ihren Offensivkollegen das gleiche Schicksal wiederfuhr.

Mit weiterem Verlauf der Partie wurden das Aufbauspiel hektischer, die Pässe immer häufiger hoch angesetzt. Die Passquote sankt weiter, die Spielkontrolle nahm ab.

Torgefahr wider Willen

Trotz dieser erheblichen Schwächen kam der SCP zu einer Vielzahl an guten Chancen, neben den Einladungen die der FCI machte und die im folgenden Verlauf noch beschrieben werden sollen, sorgten vor allem Standards für Torgefahr. Beide Tore von Hünemeier resultierten unmittelbar aus solchen, seine eigene Perspektive darauf findet ihr hier:

Neben den offensichtlich torgefährlichen eigenen Standards konnten viele Kontermöglichkeiten aus gegnerischen Ecken erzeugt werden. Zum einen zog sich Ingolstadt infolge dieser extrem chaotisch zurück, zum anderen befanden sich lediglich Galvao und Ananou in der Restsicherung. Gerade letzterer machte ein erschreckend schwaches SPiel, traf überhastete Entscheidungen zu Grätschen und wurde von der Paderborner Offensive überrant.

Absurditäten

Auf Ingolstädter Seite gibt es über das Aufbauspiel ebenso wenige Worte zu verlieren. Zum einen agierte der SCP in einer gespiegelten, ebenso mannorientierten Formation, (wenngleich die Orientierungen etwas loser, die Abstände zum direkten Gegenspieler größer und ein Fokus auf die Spielfeldmitte deutlicher waren) aus der Handlungsdruck durch Anlaufen der ballnahen Optionen erzeugt werden sollte.

Da Ingolstadt durch die leicht zurückgezogene Position von Zehner Kittel einen Spieler weniger in der letzten Linie brauchte, konnte Schröck sich im Mittelfeld etwas tiefer bewegen und zusammen mit Krauße eine Überzahl im Sechserraum herstellen. Ein Ausspielen dieser Überzahl zeigte sich zwar als enorm effektiv, konnte man so doch Gjasula herausziehen und somit Platz für Kittel im rechten Halbraum schaffen, wurde allerdings (bis auf zwei Fälle) gänzlich verschmäht.

Ingol 1

Stattdessen wurde mit dem ersten Ball nahezu jederzeit Stefan Kutschke, der sich vornehmlich halbrechts positionierte, hoch und weit gesucht. Im Verlaufe der Spielzeit wurden für ihn alleine 29 Zweikämpfe dokumentiert. Diese Zahl umfasst allerdings lediglich diejenigen Bälle, die ihn ungefähr erreichten. Die Gesamtheit der langen Bälle in seine Zone lässt sich konservativ mit 50 abschätzen.

Kutschke agierte in diesen Situationen stark und konnte einige Bälle auf Kittel und den nachrückenden Schröck ablegen, die wiederum zumeist keine Anspielstation fanden. Genauigkeit der Pässe ist an dieser Stelle ein wichtiger Punkt, weitaus relevanter aber ist die Feststellung, dass die breiten Positionen von Röcher und vor allem Diawusie meist ignoriert wurden.

Nun kann man sich die Frage stellen, warum man die beiden außergewöhnlich breit und somit ohne Zugriff im Gegenpressing stehen lässt, wenn man sie weder als unmittelbare Option sucht, noch  den Gegner damit auseinanderziehen kann. Paderborn nämlich agierte in der Folge von Rückwärtsbewegungen im Zentrum sehr auf die Kompaktheit der letzten Linie fokussiert und ließ die beiden Außen, teilweise grotesk offen stehen.

Anstelle diese Möglichkeit in der zweiten Hälfte konsequenter auszunutzen, wurden die Positionen nach dem Doppelwechsel in der Halbzeit enger, während der zusätzliche Stürmer Leipertz den Fokus auf lange Spieleröffnung nur steigen ließ.

Der Grund warum diese nicht wirklich erfolgreich waren, lässt sich unmittelbar in der Besetzung der zentralen defensiven Positionen beim SCP finden, Strohdiek, Hünemeier und Gjasula sind Riesen und konnten viele Luftzweikämpfe gegen Kutschke gewinnen. (Opta weist an dieser Stelle zwar 20 von 29 gewonnenen Zweikämpfen für Kutschke aus, dies spiegelt nach meinem Ermessen aber nicht die Realität des Spiels wieder. Zweikampfmessung ist eine delikate Angelegenheit und wurde an anderer Stelle zur Genüge kritisiert.)

Wer meine Arbeit verfolgt, wird wissen, wie kritisch ich Aufbauspiel mit hohen und weiten Bällen und vor allem ohne größeren Plan als dem Zufall gegenüberstehe (obwohl auch Paderborn aktuell, ironischerweise, nicht viel anderes macht), allerdings regte mich die Spielweise Ingolstadts bei weitem nicht so sehr auf wie die der Lilien. Ganz im Gegenteil, ich empfand Ingolstadts Ballbesitzspiel zeitweise als höchst amüsant.

Neben der eben bereits beschriebenen Absurdität dessen, Spieler in breite Positionen zu stellen, nur damit diese vom Gegner und der eigenen Mannschaft strikt ignoriert werden, zauberte mir vor das Verhalten der Abwehrkette ein Lächeln auf die Lippen.

Abgesehen von der ständigen Vorstellung, wie Matip laut lispelnd jeden Spielzug seiner Mannschaft kommentiert, sind die Positionierungen der Abwehr nach Ballgewinn überaus skurril. Anstelle ihre Positionen wiederzufinden, lassen sie sich einfach spontan an die nahe Seite des Strafraums zurückfallen.

Matip2

In der 66. Spielminute gewinnt Ingolstadt den Ball auf der rechten Abwehrseite und passt ihn zu Towart Knaller zurück. Anstelle seine angestammte tiefe Position neben dem Strafraum zu besetzen, joggt Matip locker durch den Halbraum vor seinem Torwart. Dies muss  an sich nichts schlechtes sein, Kiel beispielsweise nutzt in dieser Saison vertikal verschobene Innenverteidiger mit großem Effekt, allerdings läuft Matip geradezu dem Deckungsschatten den pressenden Zolinski nach. Auf der rechten Seite bewegt sich Galvao ebenfalls nicht merkenswert tiefer, um eine Anspielstation aber auch Absicherung zu schaffen, sondern bleibt passiv stehen. Wenig verwunderlich wird der Ball in der Folge in die Spitze geknallt.

Matip 1

In der 35. Minute agiert Ingolstadt aus ähnlicher Ausgangssituation noch grandioser. Anstelle nach Ballgewinn auf dem Flügel und Anspiel auf den Torwart in eine symmetrische Staffelung zu fallen, bilden Matip (hier quasi Rechtsverteidiger), Gimber, als rechter Innenverteidiger und Sechser Krauße eine Raute mit dem Torwart. In dieser spielen sie ohne jegliche Vorwärtsorientierung, bis Paderborn zum Torwart durchpressen kann, der den Ball nicht so wirklich knallen lässt und ihn lediglich zu Klement befördert. Ein Anspiel auf die komplett offene rechte Seite später bewahrt ein Annahmefehler Tekpeteys Ingolstadt vor dem Gegentor.

Diese Ingolstädter Schwächen spielten dem SCP natürlich extrem in die Karten. Durch das komplett chaotische Umschaltverhalten nach relativ sauberen Ballgewinnen, bei denen der Ball sogar zum Torwart zurückgespielt werden konnte, konnte Paderborn immer wieder hohe Ballgewinne im Gegenpressing erzielen.

War sonst noch was?

Weil das in der Analyse immer etwas zu kurz kommt, der SCP hat eine Unmenge ausgezeichneter Chancen vergeben.

Zu Ende des Spiels schob Ananou weit nach vorne, während Ingolstadt eine Dreierkette mit Linksverteidiger Galvao herstellte. Durch hohe Bälle auf den Rechtsverteidiger konnte Collins herausgezogen und der Raum hinter ihm potenziell für Steil- oder Chippässe genutzt werden. Es blieb allerdings beim Konjunktiv. Ananou zeigte schwache Ballannahmen und noch schwächere Weiterleitungen.

Ach ja, Paderborn hat viele sehr gute Chancen vergeben.

Die Einwechslung von Marlon Ritter belebte das Paderborner Spiel abermals nicht. Die Position in der Spitze in welcher er in dieser Saison zum Einsatz kam, liegt ihm insofern nicht, als dass nur seine negativsten Tendenzen, namentlich die zu starke Orientierung auf die letzte Linie bedient werden, während seine Fähigkeiten als Nadelspieler kaum zur Geltung kommen. Eine tiefere Positionierung könnte Paderborn zudem helfen, konstantere Überzahlen oder positionelle Vorteile im Spielaufbau zu sichern.

Ich hab das noch nicht erwähnt, aber der Sportclub hatte absurd gute Tormöglichkeiten, die allesamt vergeben wurden.

Gjasula bekommt es in der zweiten Liga mit extrem passenden, auf hohe Bälle fokussierten Gegnern zu tuen. Auch in diesem Spiel wurde deutlich, wie mächtig Gjasula in der Luft und in direkten Zweikämpfen ist, während sein Pressingverhalten im Mittelfeld noch viel Luft nach oben hat.

Fazit

Paderborn fährt trotz weiterhin bestehender Schwächen im Aufbauspiel einen hochverdienten Sieg gegen schwache Ingolstädter ein. Das Umschaltspiel und Uwe Hünemeier sorgen für Torgefahr, während die defensive Zentrale die Lufthoheit bewahrt.

Obwohl die meisten Zweitligisten nichts machen wovor man übermäßig Angst haben müsste, braucht es bis zum Jahresende, den Spielen gegen den HSV und Kiel, deutliche Steigerungen.