Die Ruhe nach dem Sturm

5. Spieltag, Köln Müngersdorf, bestes Wetter. Das Duell zwischen der besten Offensive der zweiten Liga und der besten Offensive der Drittligageschichte. Ein Duell zwischen enorm durchschlagkräftigen und auf gutem Bundesliganiveau besetzten Kölnern (mit Abwehrschwächen) gegen die Paderborner Pressingmaschine (mit Abwehrschwächen). Alles deutete auf eine temporeiche Partie hin. Und diese Erwartung wurde erfüllt.

Es wurde ein absolutes Spektakel, das, entgegen des von Sky geäußerten Wunsches, auf Augenhöhe stattfand. Beide Teams kamen ohne Probleme zu Torchancen, was sich in einem komplett wahnsinnigen xG-Wert von 3,2 zu 4,5 wiederspiegelte. Doch bevor wir zur taktischen Einschätzung der Partie kommen, muss ich etwas Dampf ablassen.

 

Redacted

(siehe hier)

 

Taktikanalyse

Es würde von einer ausgeprägten Doppelmoral zeugen, wenn ich Narrative von Kommentatoren und Medien kritisiere, ohne deren Bedeutung für Taktikanalysen darzulegen. Der Vorteil von Taktik ist der, dass man näher an den Fakten bleibt. Aufstellung und Bewegung zu einem gewissen Zeitpunkt sind feststehend. Dennoch ist die Logik aus der diese Situationen folgen unklar. Taktische Anweisungen, individuelle Tendenzen, Priming oder doch Zufall haben allesamt einen schwer quantifizierbaren Einfluss auf die Entstehung einer Situation.

Der Nutzen einer Analyse ist damit zweierlei. Erstens sollen sich wiederholende Situationen wiedergegeben werden, wobei die konkrete Auswahl dieser bereits eine (narrative) Gewichtung beinhaltet. Zweitens soll erklärt werden, welcher Prozess hinter diesen Situationen vorliegt, welche Formationen, Spielerinteraktionen und Spielzüge geplant sind, welche Folgen, Chancen und Risiken sie bieten.

Mannschaftsaufstellungen

1. FC Köln - SC Paderborn
Startaufstellungen beider Teams

Auf Kölner Seite gab es im Vergleich zum 5:3 Sieg gegen St. Pauli (das kann sich auch keiner ausdenken) drei Änderungen. Der verletzte Risse wurde von Bader ersetzt, Meré übernahm die Position von Sobiech und Höger kam für Guirassy in die Startelf. Mit diesem, für die zweite Liga enorm starken Personal formierte man sich in der typischen Markus Anfang-Aufstellung, einem 4-1-4-1 mit in Ballbesitz einrückenden Außenverteidigern.

Auf Paderborner Seite gab es im Vergleich zum 2:2-Remis in Bochum zwei Wechsel. Der gelbgesperrte Dräger kehrte als enorm offensiver Außenverteidiger an Boeders statt zurück, während Zolinski vom prompt erfolgreichen Neuzugang Gueye ersetzt wurde. Bei der Formation blieb fast alles beim Alten, Paderborn agierte in einem 4-1-3-2, wobei Klement etwas weiter zurückgezogen agierte als gewohnt.

Goliaths linker Haken

Die Partie zwischen den beiden extrem aggressiv agierenden Teams kannte keine Pausen. Es gab keine Phasen ziellosen Mittelfeldgeplänkels, kein unbedrängtes Aufbauspiel und kein Zeitspiel.

Die häufigste und prägendste Phase war dabei sicherlich der Kölner Ballbesitz. Markus Anfang überraschte schon bei seiner letzten Station in Kiel mit einer interessanten Aufbaustaffelung und einem direkten, dabei aber enorm flexiblen Angriffsspiel. Neben Dominik Drexler nahm er auch diesen Stil nach Köln mit.

AK0
Kölner Abstoß. Außenverteidiger werden angespielt und suchen Weg ins Zentrum.

Wann immer Köln die erste Phase, das tiefe Aufbauspiel unter Einbindung des Torwarts auflösen konnte, bei der die Außenverteidiger noch breit und flach, neben dem Paderborner Block blieben, formierte man sich in einer 2-3-4-1-Formation, in der die Außenverteidiger neben den Sechser in die Halbräume rücken, während die an der Außenlinie postierten Flügelspieler die Breite halten. Die Achter bewegen sich derweil hoch und breit in den Halbraum.

AK 1

Diese Struktur hat einige Vorteile. Erstens erlauben die fünf offensivsten Spieler eine ausgewogene Besetzung der gesamten Spielfeldbreite sowie eine individuelle Besetzung aller Schnittstellen einer Viererkette (drei innen, zwei außen). Die tiefere Ausgangsposition der Achter erlaubt zudem eine Besetzung der strategisch wichtigen und chronisch offenen Halbräume. Das Einrücken der Außenverteidiger erhöht die zentrale Präsenz und daraus folgend die Konterabsicherung. Die Wege für jeden einzelnen Spieler sind zudem kürzer, als wenn die selbe Struktur mit weit aufrückenden Außenverteidigern und tiefer bleibenden Achtern erreicht werden würde.

Paderborn begegnete dieser Struktur im hohen Mittelfeldpressing aus einem 4-2-2-2. Dabei wurden die klaren Zuordnungen auf die Viererkette genutzt, um das Kölner Spiel nach außen zu treiben. Insbesondere sollte das Anspiel auf Sechser Höger verhindert werden, der wiederum Passoptionen zu beiden Achtern hätte. Falls der Pass dennoch gelang, musste Klement herausrücken, das Zentrum öffnen – und sich bei Högers Orientierung bedanken. Gerade wenn der Ball von den Innenverteidigern kam, stand er eklatant geschlossen, sodass Klement einfach aus dem Rücken attackieren konnte.

Wenn der Ball zum Außenverteidiger gelangte, wurde ebenfalls der Passweg ins Zentrum, zu Höger geschlossen, da ein solches Anspiel ihm eine einfachere Orientierung verschaffen hätte. Der Außenverteidiger an die Außenlinie gedrängt werden, von wo aus nur ein Longlinepass auf den Flügelspieler möglich gewesen wäre.

Sobald der Außenverteidiger den Ball erhielt, positionierte sich der Paderborner Außenverteidiger bereits enger am Kölner Flügelspieler und orientierte sich völlig auf diesen. Wenn der Flügel dem unter Druck stehenden Außenverteidiger entgegen kam, folgte der Paderborner. Auf der rechten Kölner Seite gelang es Paderborn häufiger, Ballverluste zu erzwingen. Auf der linken Seite hingegen stand Jonas Hector.

Während der junge Bader im Dribbling Probleme mit dem Pressing hatte, löste Hector dieses meisterhaft auf. Von seinem Innenverteidiger angespielt wartete er das Verhalten seines Gegenspielers ab, um mit dem ersten Kontakt Dynamik in die offene Richtung zu erzeugen. Anders als Bader machte er, leicht diagonal von innen angelaufen, die erste Bewegung nach vorne, an Tekpetey vorbei. Köln konnte sich somit einige Male absurd einfach in den offensiven Halbraum und die nächste Angriffsphase lösen.

Neben diesen statischen Mustern, das Paderborner Mittelfeld zu überspielen (Sechser, Longline, 1vs1), gab es auf Kölner Seite weitere, kombinatorische und hochdynamische Aktionen zu bestaunen. Eine solche führte zum zweiten Treffer und stellt für mich den besten Spielzug der Saison da:

Krass 0

Die Aktion beginnt damit, dass Köln auf der linken Seite unter Druck gerät und über Horn verlagert. Zu diesem Zwecke hat sich Bader breit zum Strafraum fallen lassen, von wo er aufdrehen kann. Nach dem Aufdrehen dribbelt er an und spielt unmittelbar bevor Jimmy in den Zweikampf kommen kann auf den im Halbraum entgegenfallenden Schaub. Da Collins sich zuvor an Clemens orientiert hatte, muss er zusätzliche Meter in der Horizontalen kompensieren und verpasst somit den Zugriff.

Krass 1

Schaub spielt einen Klatschpass, bevor Collins in den Zweikampf kommt. Unmittelbar nach dem Pass startet er einen Lauf in den Rücken von Collins, also diagonal nach rechts vorne. Bader erkennt gleichzeitig, dass der zuvor von Schaub besetzte Raum geöffnet wird und vorderläuft in diesen.

Krass 2

Klemens verzögert einen Moment, bis Bader den Freiraum erreicht hat und spitzelt den Ball zwischen Jimmy und Collins auf seinen Mitspieler. Paderborn schiebt währenddessen zusammen.

Krass 3

Bader erhält den Ball und treibt ihn kurz durch den sich verengenden Raum, bevor er auf den durchgestarteten Schaub öffnet. Strohdiek muss herausrücken, kommt aber genauso wie Klement zu spät. Derweil bewegt sich Clemens im Vollsprint in die Spielfeldmitte.

Krass 4

Schaub läuft diagonal aufs Tor zu, wird aber noch von Strohdiek eingeholt, der abermals in den Zweikampf gehen möchte. Drexler, der im Verlauf des Angriffs auf die rechte Seite geschwommen ist, erkennt dies und startet den Sprint in Strohdieks Rücken, wo er von Schaub mit einem Steilpass gefunden wird.

 

Krass 5

Bereits im Strafraum kann Drexler seinen Tempovorteil gegen Hünemeier ausspielen und den Ball auf den kurzen Pfosten passen, wo Clemens verlängern kann. Derselbe Clemens, der 10 Sekunden zuvor in der eigenen Hälfte, an der Außenlinie, den Angriff mitgestaltete!

Alles an diesem Angriff ist beeindruckend. Die Vielzahl an Möglichkeiten, die Köln zeigt, um einzelne Gegner aussteigen zu lassen,(Doppelpässe, Steilpässe, Dribblings) ist genauso beeindruckend wie die individuelle Qualität in den Aktionen und die Ruhe in engen Räumen. Auch die Gruppentaktischen Bewegungen, das horizontale wie vertikale kreuzen um in den Rücken des Gegenspielers zu kommen sind auf Topniveau. All diese Elemente erlauben es Köln, einen Angriff mit hoher Dynamik eine Seite entlang zu entwickeln, bevor der Gegner dort zusammenschieben kann.

Paderborn kann man an dieser Stelle dennoch einen Vorwurf machen. Das Verschieben auf die Seite erfolgte nicht durchgehend und in höchstem Tempo. Klement, aber auch Gjasula und Michel als tieferer Stürmer unterbrachen ihre Läufe anstelle zunächst zu verdichten. Strohdiek verteidigte etwas überaggressiv. In dem Moment, wo Bader zwischen 3 Gegnern eingeklemmt ist, muss der Innenverteidiger nicht herausrücken, erst recht nicht, wenn der Flügel offen ist.

Der Angriff kann exemplarisch für die Vielseitigkeit, Dynamik und Qualität in den Kölner Angriffen stehen, nicht aber für deren häufigste Form. Wie zu Beginn bereits ausgeführt, kam Köln vor allem über die Außenverteidiger oder Höger hinter das Paderborner Mittelfeld. Von dort aus gab es klare Abläufe, wie der Ball mit Dynamik hinter die Kette gebracht werden sollte.

Wenn der Flügelspieler den Ball erhielt und aufdrehen konnte, wurde unmittelbar der hinter den Paderborner AV startende Achter gesucht, wenn dieser gedeckt war, wurde ein inverses Dribbling angesetzt.

Wenn der Pass hingegen zum Achter ging, gab es abhängig von der Paderborner Reaktion verschiedene Möglichkeiten. Falls der Außenverteidiger nach innen herausrückte, wurde der entsprechende Flügelspieler geöffnet und gesucht. Falls ein Innenverteidiger herausrückte, konnte entweder ein horizontales Dribbling angesetzt werden, das den Innenverteidiger zum Mitschieben und (quasi) horizontalen Kreuzen vor seiner Abwehr zwang, oder aber abermals der Pass auf den breiten Flügel genutzt werden. Schließlich rückte die Paderborner Abwehr zusammen, sobald ein Spieler die Kette verließ, und vergrößerte somit die Abstände zum Breitengeber.

Der gleiche Prozess wurde ausgenutzt, wenn der Achter sich in die Zentrale bewegte. Die verbleibenden drei Verteidiger schoben enger zusammen, sodass auch der ballferne Flügel mehr Platz erhielt und geschickt werden konnte. Bei diesem Ablauf wurde klar, dass Gjasulas Position eher unpassend ist. Einige Meter zu hoch stehend, konnte er diese Dribblings nicht verhindern.

Wenn der flache Aufbau nicht gelang, spielte Köln lange Bälle aus der Abwehr verstärkt auf die rechte Seite. Dort konnten Clemens und Drexler, sofern sie den Ball gewinnen, inverse Dribblings vor der Abwehr starten und Spieler herausziehen.

Mit allen Methoden kommt Köln in den Raum hinter den Paderborner Außenverteidigern, die linke Seite mit dem gelernten Außenverteidiger und angehenden Flankengott Horn wurde dabei massiv fokussiert. Nachdem er geschickt werden konnte, wurde sofort eine möglichst flache Flanke auf Terodde gesucht.

Interessant zu sehen war dabei die Vorbereitung des Stürmers. Anstatt auf einer Höhe mit der Paderborner Abwehr zu starten bewegte er sich wenige Schritte im Abseits. Er fehlte somit zwar als Anspielstation, hatte aber einen Vorsprung, wenn der seitliche Durchbruch gelang. Wie effektiv diese Taktik, die man sonst wohl nur bei Luis Suarez in ähnlicher Ausprägung findet, ist, zeigte sich in der ersten Hälfte. Terodde erzielte aus seinem Vorsprung drei Tore, stand aber bei allen im Abseits.

Die Flanken wurden allerdings nichts nur vom Toptorjäger belaufen, auch die weiteren Offensivkräfte liefen in den Strafraum ein, um eine höhere Präsenz zu schaffen. Der ballferne Achter hielt sich dabei etwas hinter Terodde, während der ballferne Flügelspieler ebenfalls einrückte, sich dabei aber immer noch breiter als die Paderborner Abwehr befand und somit durchrutschende Bälle verarbeiten konnte.

Die Vielzahl an Kölner Offensivmustern lässt sich auch anders zusammenfassen: hinter dem Paderborner Mittelfeld, beziehungsweise vor der Abwehr, bestand eine 5vs4 Überzahl für Köln. Diese Überzahl erlaubt es, häufiger offene Passoptionen zu haben, wenn das Herausrücken nicht ideal abgepasst ist (wenn es keine Option schließt). Die hohe Paderborner Abwehr und der große Abstand zum Mittelfeld erlaubten Köln mehr Dynamik.

Umschalten

Der Fakt, dass Köln 5 Spieler in sehr hohen Positionen nutzte, hatte nicht nur offensive Implikationen. Im defensiven Umschalten zog Köln kein Gegenpressing auf, die großen Abstände in der ersten Linie wurden bei Ballverlust nicht schnell genug verkleinert, während die eingerückten Außenverteidiger sich eher nach hinten orientierten. Verbunden mit der geringen Bereitschaft zum Rückwärtspressing konnte der SCP einfach vor Kölns Abwehr kommen. Fing ein Innenverteidiger den Ball ab, konnte er den Ball weit in die Kölner Abwehr tragen, wo Paderborner Mittelfeld und Sturm in einer 6vs5 Überzahl waren.

Der Innenverteidiger konnte in der Folge Pässe auf Michel und Gueye suchen, die sich zurückfallen ließen und die Abwehr durch improvisierte Tiefenläufe nach hinten schoben. Da die Achter derweil immer noch nicht unterstützten, blieb der Rückraum offen. Aus dem linken Halbraum konnte Klement Pässe hinter die Abwehr suchen, während sich Michel halbrechts Schussoptionen aus dem Rückraum boten.

Davids vollautomatische Schleuder

So ausgereift der Kölner Plan in der Offensive ist, so verbesserungswürdig ist die Defensive.

Aber fangen wir zunächst mit dem interessantesten und auch effektivsten Instrument an: dem Angriffspressing auf Abstöße.

AP

Wie fast jedes Team agierte Köln gegen Paderborner Abstöße mannorientiert. Beachtenswert war dabei die personelle Besetzung. Während Terodde Kontakt zu Strohdiek hielt und die beiden Achter Manndeckungen auf das Paderborner Mittelfeld aufnahmen, wurde Hünemeier von Horn angelaufen. Die Deckung von Dräger fiel daraufhin in den Aufgabenbereich von Linksverteidiger Hector. Czichos schob dafür in die Linksverteidigung, während Höger als linker Innenverteidiger agierte.

Diese Umformung ist ungewöhnlich, sollte sich aber als passend herausstellen. Da Zingerle wenn er keine kurzen Optionen findet, zunächst den Pass auf Dräger anpeilt, war die Positionierung des defensivstarken Nationalspielers Hector abschreckend. Wenn Paderborn stattdessen das Mittelfeld überspielen konnte, rückte Höger heraus, während Hector auf seine angestammte Position zurückkehrte.

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Das bevorzugte Ausspielen über die Innenverteidiger wurde wie üblich verteidigt. Wenn Strohdiek angespielt wurde, startete Terodde sein Pressing, während Horn ebenfalls vorrückte und im Bogen auf Zingerle anlief. Zingerle verzichtete in diesen Situationen bedauerlicherwesie auf einen Cruyff-Turn und spielte stattdessen lang auf die linke Seite.

Das Überspielen des Mittelfelds löste somit die Manndeckung auf Dräger, dessen Offensivläufe konnten von Horn nur mit einem großen Rückstand verfolgt werden.

Falls Paderborn sich aus diesem Pressing lösen konnte, beziehungsweise, falls ein Paderborner Angriff nicht beim Abstoß startete, formierte sich Köln in einem sehr eng mannorientierten, dafür aber unkompakten 4-1-4-1 Mittelfeldpressing.

MP1

In diesem kehrte Hector in die Abwehrkette zurück, während Höger sich als Sechser nah an seinen Innenverteidigern hielt und nur selten vorstieß. Die Mittelfeldlinie nahm Manndeckungen auf Paderborner Außenverteidiger und Sechser auf. Terodde startete leicht nach hinten versetzt zwischen den Innenverteidigern, um den ballführenden in einem inneren Bogen anlaufen zu können.

Für Paderborn ergaben sich aus dieser Ausgangslage verschiedene Möglichkeiten. Zum einen konnte direkt ein Vertikalpass in die letzte Linie gesucht werden. Vor allem Jimmy und Michel zeigten sich aktiv im Zurückfallen. Die Passlinien blieben währenddessen durchgehend ungedeckt, da sich das Kölner MIttelfeld einzig und allein am Gegenspieler orientierte.

Eine andere Möglichkeit bestand in frühen diagonalen Flugbällen von Strohdiek auf den überlaufenden Dräger. Im direkten Duell mit Horn konnte er diese Bälle häufig verarbeiten und Dribblings an die Strafraumkante starten.

Die häufigste und auffälligste Möglichkeit allerdings war die Flucht nach vorne in Form eines weiten Andribbelns des Innenverteidigers. Da Terodde einige Meter Rückstand hatte, konnten Hünemeier und vor allem Strohdiek Tempo aufnehmen und ins Mittelfeld dribbeln. Abermals übergab Köln die Manndeckungen nicht, sodass es Situationen gab, in denen Strohdiek Gjasula und Klement überlief.

MP2

Die Passwege wurden durch das weite Andribbeln kürzer, die Chance, in einen Zweikampf zu kommen, nahm für die Kölner Abwehr ab.

Sobald Paderborn das Mittelfeld überwinden konnte, agierte man mit viel Dynamik. Die Paderborner Sechser konnten sich einfach von ihren Gegenspielern lösen, die einfach stehenblieben und in eine Schnittstelle laufen. Gueye und Michel zeigten sich geschickt und wichen zuvor etwas ins Zentrum, sodass die Lücke zwischen Innen- und Außenverteidiger vergrößert werden konnte. Ein solcher Spielzug führte zum 2:2 durch Philipp Klement.

Letzterer bewegte sich verstärkt im linken Halbraum, wenn Köln am eigenen Strafraum verteidigte und suchte von dort aus Anspiele hinter die Kette. Paderborns Schnellangriffe hatten genau die Struktur der Konter. Die Unterscheidung einzelner Spielphasen wird absurd, wenn sich die Kölner Offensiven in geordneten Defensivphasen genauso langsam zurückziehen wie bei Kontern. Die Partie ist ein hervorragendes Beispiel für Guardiolas Philosophie, in welcher das Spiel nicht in Phasen unterteilt, sondern als Kontinuum von Positionierungen betrachtet wird.

Paderborner Angriffe auf der linken Seite hingegen wurden verstärkt über Mo Dräger zu Ende gebracht. Dieser nämlich überlief ständig und war häufig neben und leicht vor der Kölner Abwehr mit einem dynamischen Vorteil anzuspielen. Diesen Vorteil nutzte er in starken Isolationsdribblings gegen den verfolgenden Horn. Dessen Überforderung mit der Beinarbeit und Vertrauen auf Armarbeit bescherte Paderborn den Elfmeter zum 2:3.

Darüber hinaus gab es rechts häufig horizontales Kreuzen von Tekpetey und Michel zu sehen. Ersterer zog nach innen und seinen Gegenspieler mit, sodass letzterer den Ball neben der Abwehr, wenngleich mit suboptimaler Orientierung erhalten und in die Tiefe dribbeln konnte.

Umstellungen

Bonanza

Nach dem Rückstand stellte Köln um. Cordoba und Guirassy kamen für Clemens und Meré in die Partie. Höger agierte in der Folge als Libero, während die Sechs von Hector übernommen wurde. Schaub schon nach rechts, Cordoba agierte als zweite, eher hängende Spitze und Guirassy als in die Tiefe stoßende Acht. Markus Anfang hatte ein 3-1-5-1 ausgepackt. Köln konnte in dieser Formation noch mehr Offensivdruck erzeugen, tat dies aber zu Kosten der ohnhin kaum vorhandenen Defensiven Stabilität.

Wenn Paderborn kontern konnte, verteidigten nun lediglich 4 Spieler gegen 6 Paderborner. Hector interpretierte seine Sechserrolle aggressiver, attackierte Paderborner Dribbling an der Mittellinie- und erhielt die Gelb-Rote Karte.

In Unterzahl potenzierten sich die Kölner Schwächen weiter, während auch die offensive Gefahr abnahm. Köln lief nur noch hinterher und kassierte letztendlich verdient zwei Gegentore.

Fazit

Paderborn und Köln liefern sich ein Offensivspektakel, eine Partie ohne Pausen, Unmengen an ungenutzten Chnacen auf beiden Seiten – das beste Spiel des Jahres.

Auf Paderborner Seite übernimmt der Sieg die Position des in Unterzahl gewonnenen Punktes in Fürth als größte Überraschung und Willensleistung der Saison. Paderborn zeigt, dass es Offensiv mit den Granden der Liga mithalten kann, wenngleich man defensive Probleme hat.

Köln hingegen beeindruckt mich trotz des Ergebnisses enorm. Noch nie habe ich in der zweiten Liga eine Mannschaft gesehen, die so viel Druck, Dynamik und Variabilität im Angriffspiel erzeugt. Taktische Qualitäten, die verbunden mit dem Spielerniveau noch für einige Gegner tödlich sein werden. Die Defensive bleibt derweil Problemzone.

Markus Anfang sprach nach dem Spiel davon, dass es nicht gelungen sei, die Räume ausreichend zu verengen. Das mag vielleicht stimmen, darf aber nicht wirklich überraschen, wenn man im gesamten Mittelfeld nur stupide Manndeckungen aufnimmt.

Diese Manndeckungen schaden dem Kölner Spiel erheblich. Zumal kein Druck auf die Innenverteidiger erzeugt werden kann, sind Anspiele hinter die Abwehr für jeden kompetenten Gegner möglich. Hinzu kommt das nicht vorhandene Rückwärtspressing im Umschalten genauso wie in geordneten Defensivphasen.

Köln kann und wird aufsteigen. Die Qualität in der Offensive ist schlichtweg wahnsinnig. Eine verbesserte Herangehenweise in der Defensive ist alleringd unbedingt notwendig, um eine Saison zu spielen, die nicht nur erfolgreich, sondern dominant, stabil und entspannt ist.