Im Auswärtsspiel bei St. Pauli reaktiviert der SC Paderborn den Ballbesitz. Mit tieferen Unterstützungen und ruhigerem Spiel kontrolliert man die Hamburger über weite Strecken – nur um von der eigenen Defensive gestürzt zu werden. Trotz 66% Ballbesitz und Chancenplus steht am Ende des Spiels eine 2:1 Niederlage.
Mannschaftsaufstellungen
Markus Kauszcinski nahm auf Seiten des FC Sankt Pauli nur eine Änderung im Vergleich zum 1:0-Erfolg gegen Ingolstadt vor. Diamantakos begann in der Spitze der 4-2-3-1-Formation und verdrängte Veerman auf die Bank. Interessant sind auf Hamburger Seite zudem die Flügelpositionen, welche vom ehemaligen Riesentalent Mats Möller Daehli und dem schnellen Cenk Sahin hochqualitativ besetzt sind.
Beim SCP reagierte Steffen Baumgart mit zwei Wechseln auf das 4:4 gegen Magdeburg. Schwede ersetzte auf der linken Seite Jimmy, während Hünemeier seinen Platz in der Abwehrkette für Schonlau räumen musste. Eine Veränderung in der Abwehr war nach 7 Gegentoren in den vergangenen zwei Partien erwartbar, auch wenn ich damit gerechnet hätte, dass es Strohdiek trifft.
Flucht nach vorne
In der vergangenen Woche veranlassten mich die 4 Gegentore, eine ausführliche Analyse der Paderborner Defensive sowie insbesondere derer Schwächen vorzunehmen. Nach dieser Partie muss man nüchtern feststellen, dass im Trainerteam andere Überlegungen getroffen wurden. Co Scherning verkündete bereits in der Pressekonferenz, dass man seinem Stil treu bleiben aber Fehler ausmerzen wolle.
Es ist schwierig zu sagen, was hinter einer solchen Antwort steckt. Der Fan in mir hofft, dass die richtigen Schlüsse gezogen wurden und Verbesserungen folgen werden, der Analyst aber sieht kaum Fortschritte.
Paderborn verteidigte gegen Pauli wie üblich aus einer 4-1-3-2-Formation, die im Angriffspressing durch die etwas zurückgezogene Rolle von Klement eher einem 4-2-2-2 ähnelte. In den wenigen Phasen, in denen Pauli ein geordnetes Ballbesitzspiel aufzog, formierte man sich ein einer 2-4-3-1-Staffelung, in der die Außenverteidiger weit vorrückten, während die Flügelspieler eher eng blieben.

Sobald einer der beiden Innenverteidiger den Ball erhielt liefen Paderborner Stürmer im inneren (durch Querpassweg) und Flügelspieler im äußeren Bogen (durch Passweg zum AV) an. Potenziell offen blieben dabei der Sechserraum sowie der Außenverteidiger. In ersterem rückte ein Paderborner Sechser (meist Klement) explizit auf den Trigger einer geschlossenen Körperhaltung heraus, letzterer wurde durch den Paderborner Außenverteidiger gedeckt.
Durch ein dermaßen aggressives Pressing konnten naturgemäß viele lange Pässe in die offensive Lokalkompaktheit des Zentrums gespielt werden. Ohne Zielspieler Verbeek blieben diese allerdings wenig erfolgreich, Strohdiek und Schonlau gewannen zumeist den ersten Ball.
In seltenen Fällen konnte sich Pauli aus dem Pressing lösen. Dafür war der Sechserraum von immenser Bedeutung. Im Zentrum des Paderborner Sechsecks war durch die tiefere Position Klements keine konstante Besetzung gewährleistet, die Hamburger hatten somit potenziell viel Platz. Damit sie diesen nutzen konnten, musste der Pressingtrigger der geschlossenen Orientierung umgangen werden.
Ich formuliere diesen Satz ganz bewusst so. Anscheinend war es den Paulianer Sechsern nicht bewusst, dass man durch Aufdrehen (ohne Ball) eine offene Stellung erhalten kann, Pässe aus der Verteidigung wurden durchweg geschlossen empfangen (und wieder zurückgespielt). Stattdessen hatten Anspiele über die Außenverteidiger Erfolg. Gerade Dudziak nutzte gegen den heranstürmenden Collins den freien Passweg ins Zentrum, wodurch auch Flum offener stand, nicht sofort angelaufen wurde und Aktionen starten konnte.
Auch wenn Pauli seine gefährlichsten Aktionen, inklusive beider Tore, aus dem Zentrum einleiten konnte, blieb das fokussierte Bespielen des selbigen Mangelware. Viel häufiger versuchte man Angriffe linear am Flügel zu entwickeln, wo sich Daehli und Sahin isoliert durchsetzen mussten. Gleichzeitig verschob sich die Formation auf die jeweilige Seite, der ballnahe Sechser und der Außenverteidiger schoben hoch, während der ballferne Außenverteidiger einrückte und lediglich der ballferne Flügel strafraumbreit blieb.
Breite Durchbrüche wurden passend belaufen, sowohl Buchtmann als auch der ballferne Flügelspieler postierten sich im Rückraum der Paderborner Abwehrkette und konnten von dort abschließen.
Auch hier muss Kritik an der Orientierung der Abwehrkette geübt werden. Wenn Pauli sich vom Flügel ins Zentrum lösen konnte, zeigte sich nicht nur die Besetzung des ballfernen Sechserraums als mangelhaft, auch war Strohdiek immer auf Vorwärtsverteidigen eingestellt.
Beim ersten Treffen war dieses Verhalten besonders eklatant. Obwohl Flum den Ball halblinks ohne Druck führte, rückte Strohdiek als rechter Innenverteidiger heraus – und öffnete damit Raum in seinem Rücken. Schonlau stand gleichzeitig frontal zu Flum und konnte Diamantakos‘ Dynamik nicht mitgehen. Drägers zu tiefe, das Abseits aufhebende Position, ist die Kirsche auf der Sahne auf der Eiskugel schlechten Verteidigens.
Das zweite Tor zeigt ähnliche Fehler, abermaliges Vorverteidigen von Strohdiek obwohl kein Druck auf den Ball vorhanden ist und eine zu tiefe Positionierung von Dräger. Es ist ärgerlich, wenn sich die immergleichen Fehler wiederholen.
Die Entdeckung des Ballbesitz
Im Ballbesitz kann man Paderborn keinen dieser Vorwürfe machen. Im letzten Spiel nur in einem Nebensatz erwähnt, hat der eigene Ballbesitz einen riesigen Einfluss auf den Defensiverfolg. Einfach gesagt kann der Gegner nur Tore machen, wenn er den Ball hat – dies war nur in einem Drittel des Spiels der Fall.
Paderborn verschaffte sich diese Ballbesitzzahl vor allem durch eine unterstützende Bewegung der Flügelspieler. Anstatt in der letzten Linie zu bleiben und nur für Anspiele der Innenvertediger zurückzufallen, agierten sie nun häufig tiefer. Gerade auf der rechten Seite setzte Tekpetey die Tendenz der vergangenen Partie fort und ließ sich hinter die Mittelfeldkette tiefer als Dräger fallen.
Wenn der Außenverteidiger durch Diagonalpässe von Strohdiek oder durch simple lineare Dribblings isoliert gegen Daehli stand, wurde somit eine Sicherungsoption geschaffen, über die der Ballbesitz gehalten werden konnte.
Bevor wir zu weiteren Elementen kommen, sollte aber zunächst ein makrotaktischer Überblick verschafft werden.
Pauli agierte in der ersten Hälfte aus einem klaren 4-2-3-1-Mittelfeldpressing. Diamantakos startete in der Zwischenposition der Innenverteidiger und sollte Querpässe verhindern. Buchtmann agierte tiefer, auf Höhe der Paderborner Sechser auf einer Höhe mit seinen Flügelspielern, die Zugriff auf die Paderborner Außenverteidiger hielten. Die beiden Sechser agierten tief und eng vorm eigenen Abwehrzentrum.
Ohne direkten Druck konnten die Paderborner Innenverteidiger weit andribbeln und gute Passwinkel ins Zentrum gewinnen. Dort fielen neben den beiden Flügelspielern auch die Stürmer aktiv zurück und wurden dabei nicht aus der Kette verfolgt. Am Ball versuchten sie nur aufzudrehen, wenn sie statisch und tief waren, mit Dynamik zum eigenen Tor ließen sie hingegen ins Mittelfeld klatschen.
In der Folge wurden horizontale Bewegungen in den Rücken der Sechser eingesetzt, um hinter diese zu gelangen. Vor der letzten Linie wurden wiederum Läufe in die Tiefe für Steilpässe fokussiert. Im Speziellen bewegte sich Zolinski diagonal in die Schnittstelle zwischen Dudziak und Avevor, von wo er zwei Torchancen, eine davon mit Erfolg erzwingen konnte.
Im Vergleich zu Paderborn muss man die Hamburger Defensive loben. Die Orientierung ist offener (wenn auch teils zur falschen Seite), Dynamiken können besser aufgenommen werden. Durchbrüche sind dennoch nicht zu verhindern, da der SCP zu zahlreiche Möglichkeiten für Pässe hatte – an der Kette lag es allerdings nur kaum.
Zur zweiten Halbzeit stellte Pauli etwas um. Das Pressing wurde mannorientiert und eher 4-4-2-artig. Die Innenverteidiger erhielten somit mehr und früheren Druck und konnten weniger kontrolliert sondern eher hektisch und in Gegendynamiken der Stürmer eröffnen. Auch am Flügel wurde Zurückfallen deutlich enger verfolgt, die Interaktion zwischen Dräger und Tekpetey zunehmend vertikaler (Tekpetey fiel weniger zurück, sondern machte Teifenläufe an den Flügel).
Auch wenn der Ballbesitz kaum abnahm, wurde der Übergang ins Offensivspiel riskanter und fehleranfälliger. Paderborn musste den entstehenden Ballverlusten mit taktischen Fouls begegnen, um Konter zu verhindern, die gelb-rote Karte deutete sich an.
Viele interessante Aspekte waren zu kurz zu sehen, um einen signifikanten Einfluss auf den Spielverlauf gehabt zu haben. Hervorheben möchte ich lediglich noch die seltenen Paderborner 3-2-5-Staffelungen, wenn Dräger früh hochschob, Collins einrückte und Tekpetey sowie Zolinski in die Halbräume fielen. Bei fokussierter Umsetzung hätte eine solche Formation noch mehr Gefahr aus dem Mittelfeld erzeugen können.
Fazit
Paderborn wiederholt viele seiner defensiven Fehler und wird dafür bestraft. Pauli beginnt schwach, stellt dann aber passend um. Der SCP sollte den Weg hin zu mehr ruhigem Ballbesitz weitergehen, nicht obwohl sondern gerade weil die Abwehr wackelt. Ritter zeigte in seinen wenigen Minuten Einsatzzeit gute Aktionen und könnte in den nächsten Wochen wieder wichtig werden.