In Vio Veritas

9.Spieltag. Der SC Paderborn kann nach einem knappen, spannenden, aber nicht hochqualitativen Spiel den zweiten Saisonsieg gegen Ingolstadt einfahren und damit zum ersten Mal eine kleine Siegesserie starten.

Mannschaftsaufstellungen

FC Ingolstadt - SC Paderborn

Nach der Heimniederlage gegen Union nahm der neue FCI-Trainer Alexander Nouri zwei Änderungen vor: Ananou und Lezcano wurden von Krauße und Anano ersetzt. Mit diesem Personal formierte man sich in einem 5-3-2, das durch die höhere Position Kittels leicht asymmetrisch nach rechts verschoben war.

Auf Paderborner Seite gibt es nur eine Umstellung zu vermerken, Gueye kehrte nach abgesessener Sperre auf die rechte Sturmposition im Paderborner 4-1-3-2 zurück.

Spielaufbau Paderborn

In den vergangenen Spielen versucht Paderborn zunehmend ruhigeren Ballbesitz in das eigene Spiel zu integrieren. Während gegen St. Pauli die tiefere Position von Tekpetey als neues Mittel auftauchte, war nun eine veränderte Orientierung des Aufbauverhaltens in der Abwehrkette zu erkennen. Anders als in der Vergangenheit gab es Phasen, in denen der Ball U-förmig zirkuliert wurde, bevor der Vertikalpass angesetzt wurde.

MFP 1

Bei einem solchen Spielverlauf muss natürlich immer auch der Einfluss des Gegners betrachtet werden. Ingolstadt versperrte die Möglichkeit vertikalen Andribbelns für die Paderborner Innenverteidiger durch frontale Positionierungen der Stürmer und erschwerte die Spielgestaltung durchs Mittelfeld mit einer Pressingfalle auf Sechser Gjasula.

Aus dem Zentrum konnten lediglich lange Pässe in den Lauf der nach außen kreuzenden Stürmer gespielt werden, die allerdings ohne Effekt blieben.

MFP2

Der üblichere Weg bestand im Umspielen des Pressing über die Außenverteidiger. Wenn diese den Ball erhielten, versuchte Ingolstadt zwar durch Manndeckungen auf den Sechser sowie ballnahen Innenverteidiger und Herausrücken des nahen Achters Druck zu erzeugen, musste aber den weiten Pressingwegen Tribut zollen. Die Außenverteidiger hatten, auf den Achter wartend, durchweg genügend Zeit sinnvolle Aktionen anzuschließen.

MFP3

Neben diagonalen Tiefenläufen des ballfernen Stürmers und gegenläufigen Bewegungen von Stürmer und Flügel, die mit Steckpässen fortgeführt wurden, waren vor allem die Aktionen herausstechend, in denen Tekpetey sich früh tief in den Halbraum fallen ließ und durch eine Ablage nach Vertikalpass auf Gueye bedient werden konnte. Aus dieser Zone konnte er gegen den wohl schwächsten Ingolstädter Kerschbaumer Dribblings ansetzen, die Orientierung der Kette für einen Schnittstellenpass auf sich lenken oder schlichtweg das Foul ziehen.

Dribblings von Tekpetey nach diesem Muster brachten Paderborn mehrere Freistöße ein, allen voran den zum Führungstreffer. Vereinfacht wurden sie insbesondere dadurch, dass Tekpetey nicht durch einen Spieler aus der früh tief fallenden Kette, sondern nur vom hinterherlaufenden Achter angegriffen wurde, der im Bezug auf den Ball von der falschen Seite kam.

2

In der zweiten Halbzeit stellte Ingolstadt um, agierte aggressiver im Herausrücken, verfolgte die Bewegungen von Tekpetey mannorientiert und stellte über Vorverteidigen der Wingbacks mehr Druck auf die Außenverteidiger her. Darüber hinaus lief Kutschke im Passweg zwischen den Innenverteidigern an und konnte somit einen Horizontalpass verhindern. Letztlich nahm die Paderborner Intensität im Pressing zur Mitte der zweiten Halbzeit erheblich ab, was längere Ballbesitzphasen verhinderte.

Try. Score. Repeat.

Bevor wir zur Paderborner Defensivphase kommen, muss ich über die Geschichte des Spiels, die beiden Freistoßtore von Philipp Klement, sprechen. Natürlich ist Klement ein überragender Freistoßschütze, es gehört aber auch bei Freistößen mehr zum Erfolg, als man gemeinhin denken könnte. Die Kunst der Standardsituationen wurde in den vergangenen Jahren durch die Arbeit von Pionieren wie Gianni Vio auf eine neue Ebene gehoben – und beide Tore waren mustergültige Auszüge aus seinem Playbook.

Unbenannt

Dieses nämlich sieht für direkte Freistöße in Tornähe mehrere Methoden vor, um die Sicht des Torhüters auf den Ball einzuschränken. Das wohl offensichtlichste ist das Blocken der Sichtlinie des Torwarts zum Ball durch eine von der angreifenden Mannschaft innen postierte Fortsetzung der Mauer. Ein weiteres Element besteht in Läufen vor der Mauer, die die Aufmerksamkeit des Torwarts ziehen.

Im Zusammenspiel sorgten die Position Strohdiek, Schonlau und Zolinski, verbunden mit dem Aufdrehen des Letzteren, dem horizontalen Lauf von Schwede und den schwarz-weiß, genau ballfarbenden Trikots für eine Konstellation, in der Knaller den tatsächlich wenig platzierten Ball unmöglich wahrnehmen konnte, bis es schon zu spät war. (In den Wiederholungen gibt es das Tor auch aus Torwartperspektive zu sehen, testet mal selbst, ob ihr den Ball verfolgen könnt)

Der zweite Treffer wirkt wie eine Kopie der Ersten. Und ja, die Grundausrichtung der Paderborner war identisch. Allerdings öffnete sich zwischen den Spielern eine Lücke, durch die Knaller den Ball mit einiger Mühe sehen konnte. Dass der Freistoß dennoch sein Ziel fand, ist einzig und allein Philipp Klements überragender Schusstechnik zu verdanken.

Pressing und Abwehrprobleme

In der Defensive agierte der SCP wie gewohnt forsch. Gegen die Schanzer wurde am 4-1-3-2 und Angriffspressing festgehalten. Da Ingolstadt die Abstöße lang spielte, gibt es in diesem Aspekt wenig zu sagen, dafür aber im Aufbauspiel vor dem eigenen Strafraum nach tiefen Ballgewinnen.

AP 1

Auf Ingolstädter Seite formierte sich ein 3-3-2-2, bei dem Kittel sich oftmals höher begab als Partner Kerschbaumer, sodass auch 3-4-3-Strukturen entstehen konnten.Beachtlich war dabei, wie tief die Paderborner Abwehr bereits in Momenten des Angriffspressing stand. Lange Bälle INgolstadts konnten durch Ablagen in den Zwischenlinienraum verwertet werden, insbesondere dann, wenn sich Gjasula nach vorne locken ließ.

AP2

Der flache Aufbau wurde von Paderborn auf den linken Halbverteidiger Galvao geleitet, der wiederum von Stürmer und Flügelspieler mit innerem und äußeren Bogen angelaufen wurde, während Dräger Zugriff zu Linksverteidiger Otavio herstellte.

Ingolstadt spielte abermals häufig weit, konnte in vereinzelten Situationen, in denen Dräger zu spät in den Zweikampf kam, aber auch über die linke Seite durchbrechen. Von dort suchten die Wingbacks frühe Flanken auf den Doppelsturm, die entweder aus 15 Metern aufs Tor geköpft, oder ins Mittelfeld abgelegt wurden. Gerade wenn Ingolstadt das Viereck in der Offensive eng hielt, konnten Kerschbaumer und Kittel zu Abschlüssen aus der zweiten Reihe kommen.

HFF

Weiterhin zu beachten ist die eingerückte Position des ballfernen Wingbacks, der die Präsenz im Rückraum weiter erhöht und erneute Halfeldflanken ansetzen kann.

Die Öffnung des ballfernen Raums vor der Abwehr durch das frühe Herüberschieben von Gjasula und Klement auf den Flügel sowie die hohe Position von Schwede setzte sich durch das gesamte Spiel fort und ermöglichte Ingolstadt unter anderem die Dreifachchance, die mit Glück an Latte, Latte und Zingerles Gesicht scheiterte.

In der zweiten Hälfte, in Rückstand, passte Nouri haupsächlich die Position der Außenverteidiger an. Diese agierten nicht nur höher, sondern im Angriffsdrittel auch erheblich breiter, was die Wege für Dräger und Collins lang werden ließ. Die Einwechslung von Kutschke machte sich insofern bezahlt, als dass der Ex-Paderborner erheblich erfolgreicher in Kopfballduellen agierte als Benshop.

Die langen Bälle in die Spitze sowie die weiteren Pressingwege sorgten beim SCP für längere Wege und höhere Anstrengungen, die sich zum Ende des Spiels in mangelnder Intensität wiederspiegelten.

Fazit

Der SCP zeigt wie in der Vorwoche gegen Aue zwei unterschiedliche Halbzeiten. Nachdem man das Spiel in der ersten Halbzeit gut im Griff hatte, brauchte man in der zweiten Halbzeit Glück, Klement und Zingerles Kopf um den Sieg einfahren zu können.

Ingolstadt agiert unter Nouri deutlich gefährlicher als noch im Pokalspiel zu Saisonbeginn und kann sich durch Umstellungen in der Pause erheblich steigern. Es bleibt allerdings fraglich, ob sich dieser Positivtrend fortsetzt und Ingolstadt die nötigen Punkte bringt, um den vermurksten Saisonstart vergessen zu machen.