Die Vorweihnachtszeit ist eine Periode der Planung, der Vorbereitung, der Organisation, schlicht gesagt, der Struktur. Keine andere Zeit des Jahres läuft so sehr auf einen Termin hinaus, keine andere Zeit läuft wie ein Countdown. Und keine Zeit strukturiert die Erwartungen in einer solchen Form. Adventskränze, Nikolaus, Adventskalender, all dies baut Spannung bis zum Heiligabend auf. An diesem tritt die Struktur in den Hintergrund, Erwartung, Spannung, Vorfreude werden von der Feier im Moment ersetzt.
Es ist vielleicht anmaßend, dies mit einem Fußballspiel gleichzusetzen, und doch bietet sich dieser Vergleich an. Die Partie Paderborn-Darmstadt, ein 6:2, als Mikrokosmos der Weihnacht.
Wie die Vorweihnachtszeit startete das Spiel aus einem Zustand der Struktur. Gegen Darmstadts 4-4-2-Pressing, bei dem die Innenverteidiger aller Zeit der Welt erhielten, eröffnete der Sportclub vor allem über die Doppelsechs, die sich flexibel hinter der ersten Linie anboten. Das Darmstädter Mittelfeld agierte währenddessen auf den Außenpositionen mannorientiert und konnte durch das weite Vorschieben Drägers rechtsseitig auseinandergezogen werden.
Momente, in denen dies genutzt wurde, stellen die Glanzpunkte der ersten Hälfte da. Dräger schiebt in die letzte Linie und zieht Jones mit, Klement erhält im breiten rechten Halbraum nicht nur durch das nichtexistente Rückwärtspressing der Stürmer viel Zeit und kann das Spiel in die Tiefe tragen. Dort können die Paderborner in der ersten und zweiten Welle ihre Vorteile durch spekulative Tiefenläufe und schnelleres Nachrücken gegen die allenfalls reaktive, in keinem Fall aber proaktive Darmstädter Mittelfeldkette einsetzen.
Die Lilien hingegen schaffen eine Struktur, in der die vorderen Vier in die höchste Linie schieben, lange Bälle auf Dursun gesucht und Schnittstellen von Mehlem attackiert werden. Neben diesen wenig erfolgreichen Spielzügen betätigt sich Darmstadt am Flügel und zeigt rechtsseitig vielseitige Rotationsbewegungen mit Kempe, Heller und Sirigu, um einen der beiden letzteren an die Grundlinie zu schicken.
In dieser Spielkonstellation fallen nicht nur 4 Tore, quasi symptomatisch für die Adventssonntage der Vorweihnachtszeit, nein, auch die Spannung steigt. Ein knappes und zunehmend offenes Spiel zwischen beiden Teams entwickelt sich, das große Ereignis scheint näher zu kommen. Die Spannung schlägt Mitte der zweiten Halbzeit in absoluten Stress um. Paderborn schafft es nur schwerlich, die Vielzahl an Aufgaben, ähm, Flügelangriffen zu verteidigen, wird in der letzten Linie auseinandergezogen und erlaubt Abschlüsse im Rückraum.
Trotz des weihnachtlichen Zaubers durch Tekpetey und Klement fühlte es sich noch nicht nach einem Fest an.
Die Geschenke kommen enttäuschenderweise nicht mit Santa Klaus, sondern erst mit Baba Noël. Mit der Einwechslung von Gueye beginnt das Weihnachtsfest. Paderborn kombiniert sich in einen Rausch, erzielt nach einer Steil-Klatsch-Klement-Kombination den dritten Treffer und erhält nur wenig später ein wunderbar von Sven Michel verpacktes Geschenk. Nach einem (wohl auch nur vor Weihnachten möglichen) Kopfballtreffer von Tekpetey, darf der Weihnachtsmann sich schlussendlich selbst belohnen. Jeder sollte diese Geschenke für sich selbst auspacken, die Magie des 2:1, den Drall des 4:2 und die Komik des 6:2 selbstständig genießen.
So wie an Heiligabend die Strukturen und Muster der Erwartung in einem Fest entladen werden, stellte auch dieses Spiel ein absolutes Fest dar. Ein Fest, welches die Strapazen, den Stress, die taktischen Fehler der vergangenen Wochen und Minuten in den Hintergrund rücken lässt. Niemand möchte an Weihnachten eine Bilanz über die Kosten der Geschenke, die Kilometer an Reisen oder die Details der Familienkonstellationen lesen und auch die Analyse der taktischen Winkelzüge dieses Spiels würden weder dem Weihnachts- noch dem Fußballfest gerecht.
Ich wünsche allen Lesern eine besinnliche Weihnachtszeit!