Am 19. Spieltag war der SC Paderborn nach einer im kalten Deutschland verbrachten Winterpause in Regensburg zu Gast. Der Tabellennachbar, als einziger Verein ebenfalls in der Heimat geblieben, stellte einen schmerzhaften Wecker aus dem sinnbildlichen Winterschlaf dar. Nicht nur foulte man 26 mal, auch die Manndeckungen in der Defensive und enorm direkte Spielweise in der Offensive dürften schwarz-blaue Flecken hinterlassen haben. Doch all diese Aspekte sind bei weitem nicht so schmerzhaft wie das Ergebnis. In einem Spiel, in dem der SCP Ball und Gegner über weite Strecken kontrollierte, stand schlussendlich eine 2:0-Niederlage.
Mannschaftsaufstellungen
Die Gastgeber begingen das Spiel aus einer 4-4-2-Grundstaffelung, die sich in der Defensive je nach Bedarf der eigenen Manndeckungen umformte, offensiv hingegen klarer zu einem 4-1-1-4 wurde, in welchem Thalhammer stärker hochschob als Partner Geipl. Korrespondierend bewegten sich auch die beiden Stürmer unterschiedlich, Al Ghaddioui stärker zurückfallend als Grüttner.
Beim SC Paderborn wurde auf den Stamm der erfolgreichen letzten Hinrundenspiele vertraut. Vor der Viererkette ergab sich eine Doppelsechs aus Vasiliadis und Klement, die sich jeweils situativ vorschiebend (Klement eher unterstützend in Flügelzonen, Vasiliadis stärker an die letzte Linie), insgesamt aber ohne klare Rollenverteilung positionierten. Die Offensivpositionen wurden von Tekpetey und Jimmy, ungewöhnlich breit am Flügel agierend, Stoßstürmer Gueye und Verbindungsgeber Zolinski komplettiert.
Der Fall Zufall
Wie von einem Trainer alter RB-Schule nicht anders zu erwarten, ließ Baierlorzer seine Mannschaft enorm direkt, mit vielen hohen Bällen und Fokus auf zweite Bälle in den Halbräumen agieren. Aufbauphasen, insgesamt selten, beziehungweise nur in Überzahl vorzufinden, sollten nicht flach fortgeführt werden, sondern dienten lediglich der Vorbereitung langer Bälle.
Diese Orientierung auf Vorbereitung war gleichwohl nicht wirklich konsequent, vielamals hätte man über längere Phasen tiefen Ballbesitzes mehr Paderborner Spieler im Pressing herausziehen können, verzichtete aber zugunsten eines frühen langen Balls.
Insgesamt wurden die meisten Bälle auf Al Ghaddioui geschlagen, der sich im ballnahen Halbraum zwischen die Linien zurückfallen ließ. Von dieser Situation ausgehend schoben Thalhammer sowie ein Flügelspieler ein, um Präsenz in der umgebenden Zone zu schaffen. In der ersten Hälfte gab es solche Bewegungen stärker vom ballfernen Flügelspieler, der diagonal zurückschob, zur zweiten Hälfte wurde bei längen Bällen auf die rechte Seite fokussiert, dass Adamyan am linken Flügel breit bleiben und nach Verlagerung in ein isoliertes Dribbling gehen kann.
Bei diesen Dribblings zeigte er sich zum einen individuell klar gegen Dräger, dem man weiterhin seine angestammte Position als offensiver Flügelspieler anmerkt, überlegen, zum anderen überlief Föhrenbach und konnte so, bei langsamen Zurückschieben des Paderborner Flügels eine einfache, wenngleich faktisch lediglich ein einziges Mal genutzte, tiefe Option schaffen.
Paderborn verteidigte viele dieser Angriffe zwar solide, ließ situativ aber zu viel Raum zwischen der ohnehin kleinen Doppelsechs und der Kette, in den Al Ghaddioui sich zurückfallen lassen konnte. Somit musste wiederum ein Innenverteidiger rausschieben, was in erster Instanz die Präsenz an der letzten Linie reduzierte und Lücken nach seitlichen Ablagen öffnete, zum zweiten eine engere Position des ballfernen AVs erzwang, die wiederum das Verteidigen von Verlagerungen erschwerte und zum dritten eine Dynamik in die Bewegungen der Kette brachte, die über Zeit für Inkohärenz sorgte und Lücken öffnete.
Neben langen Bällen und deren mehr oder weniger erzwungener, am Beispiel des ersten Tors aber auch stark vom Zufall abhängiger Verarbeitung, gab es, neben einer einzigen ausgenutzten Defensivecke, bei der Dräger und Strohdiek im linken Halbraum ein Abstimmungsprobleme haben, vom Ball weglaufen und einen langen Konter ermöglichen, Angriffe vor allem über Ballgewinne im zentralen Mittelfeld. Aus der Natur des Regensburger Pressings folgte nämlich, dass ein dortiger Ballgewinn mit vertikaler Anschlussaktion bei gleichzeitig insgesamt zu passiven Rückwärtsverteidigen der Doppelsechs zu Ende der zweiten Hälfte, eine 6v4 Überzahl am Paderborner Strafraum ermöglichte.
Wie sich auf einer Metaebene bereits durch meine Satzstruktur erahnen lässt, sind auf zweite Bälle und Chaos fokussierte Spielweisen… chaotisch. Das Gelingen oder Versagen in einem gewissen Moment hat weitaus unklarere, kaum hierarchisch zu ordnende kausale Zusammenhänge. Wenn man das zweite Gegentor betrachtet, kann man zunächst fragen, ob und warum der Zwischenlinienraum, in den sich Al G. fallen lässt, zu groß ist, ob ein früheres Rückwärtspressing oder ein engeres Verfolgen durch Strohdiek die absurde Ballannahme und -weiterleitung erschwert hätte oder in Perspektive für einen Verlust an Strafraumbesetzung (ihrerseits ein interessantes Thema, da Paderborn bei seitlichen Durchbrüchen mit der Kette ballnah verschob und damit den Fünfmeterraum entblößte) gesorgt hätte. Eine Kausalität wird in dem Moment klarer, indem die Verlagerung auf den Flügel gespielt ist und ein 1v1 zwischen Stolze und Dräger entsteht, bei dem letzterer recht weit entfernt ist und zu spät auf einen Richtungswechsel reagiert, bevor ersterer in den leeren linken Halbraum eindringen und treffen kann.
Was Fußball vom Handball lernen kann
Der überwiegende und analytisch klarer aufzuschlüsselnde Teil des Spiels fand glücklicherweise nicht in Regensburger Hand, sondern am Paderborner Fuß statt. Der Sportclub hatte nicht nur 64%, also knapp zwei Drittel Ballbesitz, sondern agierte in Phasen tiefen Spielaufbaus nach Phasen anfänglicher Ungeduld, auf das Halten dieses fokussiert.
Gerade nach Rückpässen zu Zingerle sah man, dass in der Winterpause Fortschritte im individuellen Bewegungsspiel gemacht werden konnten. In einer solchen Szene wird Schonlau halblinks von Al. G attackiert, der versucht, den Passweg auf Dräger zu schließen. Dieser aber erkennt dies frühzeitig, begibt sich einige Meter ins Zentrum und kann den Ball dort erhalten.
Insgesamt wurde der junge Rechtsverteidiger im Aufbauspiel mit schwankendem Erfolg aber durchgehend fokussiert. Einige Angriffe starteten über ein gegnerschlagendes Dribbling von Dräger und eine folgende diagonale Anschlussaktion – ebenso viele Ballverluste allerdings ebenfalls.
Da es aber nunmal keineswegs selbstverständlich oder gar logisch ist, ein Aufbauspiel über die in Anbetracht der Seitenlinie taktisch unflexibelste Position zu spielen, müssen wir uns zum Kern des Problems im Kern des Paderborner Spiels im Kern des Spielfelds wenden.
Regensburg spielte nämlich im Zentrum eine klare und enge Manndeckung, während es am Flügel etwas losere weitere Mannorientierungen zu sehen gab. Egal wo sich einer der beiden hinbewegte, Vasiliadis und Klement wurden in der eigenen Hälfte und somit gegen das Regensburger Angriffspressing, auf Schritt und Tritt verfolgt. Gegen die dynamische und körperlich starke Doppelsechs verbunden mit einem akzeptablen Rückwärtspressing fiel es den beiden Paderbornern schwer, diese Situationen in Gleichzahl zu lösen.

Als Rettung und Hilfe kam nun aber Ben Zolinski dazu. Nachdem sich die beiden Sechser auf eine Seite bewegt hatten, fiel er auf die nun offene Gegenseite zurück, war ungedeckt und konnte den Ball von Zingerle erhalten. Gesagt getan, Paderborn überlädt das Zentrum und kann die Manndeckung somit schlagen… nun ja… es funktionierte nicht so einfach.

Zum einen musste sich Zolinski nämlich sehr weit, bis kurz vor den Strafraum fallen lassen, um der Verfolgung des ebenfalls manndeckenden Innenverteidigers zu entgehen. Aus dieser tiefen Position hinaus konnte er seine Kernkompetenz, Ablagen in sein Sichtfeld zu spielen, nicht einringen, sonder hätte für einen progressiven Spielvortrag aufdrehen und Vasiliadis, der durch das Durchpressen von Geipl meist geöffnet wurde, suchen müssen. Zolinski machte dies aber nicht, sondern spielte zumeist einfach zu Zingerle oder einem der Innenverteidiger zurück.

Wenn dieser Pass erfolgte, presste der ballnahe Regensburger Sechser durch, der ballnahe Stürmer attackierte den Ball und der Ballferne besetzte den möglichen Horizontalpass zum Torwart, sodass eine sehr weit vorgeschobene Raute entstand. Zingerle zeigte in diesen Situationen einen zu geringen Passradius, um die durch Verfolgen eines Innenverteidigers geschwächte Abwehrkette mit langen Pässen zuzuballern. Statt in den Rücken der Defensive zu kommen, wo Tekpetey, Jimmy und Gueye Tempovorteile gehabt hätten, wurden lediglich Pässe vor die Abwehr gespielt, die letzterer an einem schlechten Tag nicht behaupten konnte.

Eben diesen Problemen im Detail nutzte man das zurückfallen auch rein quantitativ zu selten, als dass es einen durchschlagenden Effekt hätte haben können. Die konkrete Situation erinnert mich im Speziellen an die Einbindung von Marlon Ritter als Stürmer, der für genau solche Situationen prädestiniert wäre, sie aber in der Hinrunde der vergangenen Saison genauso wie in seinen wenigen Spielen in diesem Jahr zu selten suchte.
Paderborn kam also nicht durchs Zentrum und musste folglich auf den Flügel ausweichen. Zunächst fand der Aufbau dabei vermehrt auf dem linken Flügel statt, mit zunehmender Spielzeit wurde der rechte Flügel stärker fokissiert. Dort suchte man passenderweise konsequent Überladungen. Anfangs reaktiv, mit Verlauf des Spiels aber deutlich proaktiver, auch bei tiefem Ballbesitz im Zentrum oder auf der linken Seite.
Im Besonderen besetzte Gueye ballnah einen Innenverteidiger, während Tekpetey breit am Flügel blieb, Zolisnki sich in den Zwischenlinienraum fallen ließ, Vasiliadis ballfern nachschob und Klement ballnah und eher zurückgezogen agierte. In der zweiten Hälfte wurden diese Überladungen noch extremer, wenn Schonlau in eine hohe Halbverteidigerrolle schob und als Basis der Überladung mit bis zu 6 Spielern diente. Durch Kombinationen vom Flügel ins Zentrum, insbesondere durch diagonale Ablagen von Zolinski auf Klement oder durch Dribblings von Tekpetey konnte Paderborn den ballfern isolierten Jimmy erreichen. Dieser zeigte, wie so viele andere, nicht sein bestes Spiel und hatte so kaum ein erfolgreiches Dribbling.

Überhaupt waren recht schwache Einzelleistungen der Offensivspieler ein nicht zu unterschätzendes Element dieser Niederlage. Nicht nur Jimmy hatte Probleme in seinen Dribblings, auch Tekpetey’s übliche Schwankungen blieben im Resultat eher am unteren Extrem. So rutscht er nach einem Dribbling gegen fünf Gegenspieler aus, verschießt nach einer wunderbaren inversen Aktionen und spielt in einem Konter, den er selbst eingeleitet hat, den unnötig riskantest möglichen (unerfolgreichen) Pass.

An dieser Stelle und bei aller berechtigter Kritik an Tekpetey soll nicht unter den Tisch fallen, dass Regensburg das eigene Defensivspiel auch mit unlauteren Mitteln bestritt. Zu dem Zeitpunkt, an dem Tekpetey diesen Pass spielt, hat er bereits zwei Verletzungspausen hinter sich. Aus dem Pass folgt ohne Gegnereinwirkung eine dritte.
Der Schiedsrichter ließ im Spiel viele Einsätze durchgehen und ahndete die, die er abpfiff, quasi gar nicht. Regensburg kam über die gesamte Spielzeit auf 26 Fouls, von denen zwar nur wenige wirklich bösartig, viele aber taktisch und gerade in der Summe zu ahnden gewesen wären. Regensburg bekam zwar zwei Verwarnungen – aber erst zum Schluss und nie für die Summe an Vergehen. Stolze, Föhrenbach und Al Ghaddioui foulten jeweils vier Mal – und erhielten nur eine Karte. Neben diesem Mangel an persönlichen Strafen für unfaires Spiel muss man Regensburg natürlich zugute halten, dass sie vor allem am Flügel foulten – in Positionen, aus denen Klement nicht direkt gefährlich werden konnte.
Ein Aspekt jedoch lässt sich als riesiger Kritikpunkt am Sport Fußball und dessen Regeln verstehen. Gegen eine Mannschaft, die aus ihrem Spiel schließend, etwas zu viel Handball geguckt hat, erhielt der SCP Zeitstrafen. Es gibt im Fußball die grandiose, kaum bescheuerte Regel, dass ein verletzter Spieler das Feld zur Behandlung verlassen und erst nach Gutdünken des Schiedrichters wiederbetreten kann.
Wenn man einen Gegner verletzt, bekommt man keine Zeitstrafe, sondern darf eine kurze Zeit in Überzahl spielen. Die Beobachtung, dass die SSV ihre einzigen Ballbesitzphasen während einer Spielerbehandlung hatte, ist eine Perversion der Spielregeln. Der Fußball kann nicht allzu viel vom Handball lernen, das Spiel mit der Hand ist den meisten Fußballern schließlich verboten. Eine Bestrafung des Foulenden anstelle des Gefoulten wäre allerdings ein sinnvoller Transfer.
Fazit
Der SC Paderborn kommt mit der körperlichen und direkten Spielweise des Jahn nicht zurecht und kann mit dem eigenen Ballbesitz trotz guter Ansätze schlussendlich nichts anfangen. In Paderborn sollte dieses Spiel nicht pessimistisch stimmen, gute Ansätze waren zweifelsohne da. Vielleicht ist es gut, dass man in Regensburg ein jähes Erwachen aus dem Winterschlaf hatte, schließlich kommt als nächstes der Paderborner Albtraum-Gegner, die SpVgg Greuther Fürth.
Zum Thema Verletzungspause und Überzahl: Nicht immer darfst du, wenn du jemanden verletzt, in Überzahl spielen. Seit 2016/17 gilt: „Ein Spieler, der durch ein physisches Foul verletzt wurde, für das der Gegenspieler verwarnt oder des Feldes verwiesen wurde, darf auf dem Spielfeld bleiben, sofern die Untersuchung/Behandlung schnell (ca. 20-25 Sekunden) beendet wird.“ – Zu finden auf https://www.dfb.de/schiedsrichter/funktionaerin/artikel/neue-regeln-das-hat-sich-20162017-geaendert-2370/
Hast trotzdem recht mit deiner Kritik. Allerdings bekommst du ein anderes Problem, wenn du den Foulenden sanktionierst, z.B. indem du sagst, er muss draußen bleiben, bis der Gefoulte wieder spielen kann. Verletzte Spieler würden das vermutlich ausnutzen…
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