Im Blick nach Oben

Nach der Niederlage im ersten Spiel nach der Winterpause, nachdem man in Regensburg nur kaum zu Chancen kam, rächte sich Paderborn beim Angstgegner aus Fürth. Das Kleeblatt, nach gutem Saisonstart zuletzt im freien Fall, baut seine Post-Vertragsverlängerungsstatistik aus und stellt auf 1:18 Toren bei 2 Punkten in den vergangenen 7 Spielen.

Mannschaftsaufstellungen

SC Paderborn - SpVgg Greuther Fürth

Beim SC Paderborn gab es im Vergleich zur 2:0-Niederlage unter der Woche zwei Veränderungen. Auf der rechten Angriffsseite kam Neuzugang Pröger in die Startelf, wodurch Tekpetey nach links geschoben wurde, im Sturm wurde Gueye von Michel ersetzt. Die Wechsel zeigten zwar keinen wirklichen Effekt, schließlich hätte Paderborn auch ohne die beiden einen klaren Sieg eingefahren, etwas Rotation tut der Mannschaft in diesen englischen Wochen aber gut.

Auf Fürther Seite waren die Folgeerscheinungen der Niederlage gegen Ingolstadt stärker zu spüren. So mussten die gesperrten Maloca und Seguin von Jaeckel und, zumindest für 30 überaus erfolgreiche Minuten, von Magyar ersetzt werden, während sich Julian Green an Atangas Statt im offensiven Mittelfeld wiederfand. Angefürth von den potenziell überragenden Redondo und Keita-Ruel ergab sich eine etwas konfuse 4-2-3-1/4-4-2/4-5-1 Mischformation.

Ballbesitzideen Fürth

Zu Beginn des Spiels war nicht wirklich absehbar, was für ein Schützenfest bevorstehen würde. Ganz im Gegenteil, in der Anfangsphase dominierte die Spielvereinigung das Spiel im eigenen Ballbesitz.

In der ersten Linie versuchte Fürth durchgehend eine numerische Überzahl gegen die erste Paderborner Pressinglinie im 4-4-2 herzustellen. Um dies zu gewährleisten, kippte entweder Sechser Jaeckel halblinks heraus oder aber dieser Raum wurde, zumeist breiter, vom tiefbleibenden Linksverteidiger Wittek gefüllt. Im zentralen Mittelfeld blieben die Sechser hinter der ersten Pressinglinie passiv, nicht immer anspielbar, und wie in der Entstehung des Elfmeters zum ersten Tor gesehen, nur selten in offener Spielstellung.

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Aufbaustaffelung bei Herauskippen seitens Jaeckel.

Die Außenverteidiger, bei Tiefbleiben Witteks primär Sauer, blieben ungefähr auf einer Höhe mit den Sechsern breit und agierten bei erfolgreichem Bespielen der Halbräume überlaufend. Diese Halbräume wiederum wurden von den einrückenden Außenspielern gefüllt, während Green sich im Zentrum flexibel, im Zehnerraum häufig leicht ballnah ausweichend, oder ohne klar erkennbares Signal, in den Sechserraum bewegte.

Die Überzahl in der ersten Linie hatte, in den seltenen Momenten in denen sie wirklich ausgespielt wurde, den Effekt, dass einer der Paderborner Außenspieler nach tiefer Verlagerung herausrücken musste. Aus dem Charakter, dass diese Läufe aus einer recht engen Ausgangsposition erfolgten, sollten die Außenverteidiger geöffnet, und zum Spielvortrag genutzt werden. Diesbezüglich war demnach vor allem das Herauskippen aus dem Zentrum sinnvoll, weil bei einem breiten Fallen der Außenverteidger ein Anlaufen in entsprechend besserer Abdeckung der Außenbahn, bei gleichzeitiger Sicherung des Zentrums im Deckungsschatten erfolgte.

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Im Besonderen konnte bei einem solchen auch der nächste Schritt dieses primären Musters nicht umgesetzt werden. Aus der breiten Position der Außenverteidiger sollten nämlich diagonale Pässe auf den im Zehnerraum ballnah ausweichenden Green gesucht werden. Da dieser Passweg durch Prögers Körper hindurch führt, fiel es Wittek zurückgezogen schwer, erfolgsstabile Pässe zu spielen.

Doch auch in Situationen, in denen Fürth aus einer höheren Position der Außenverteidiger, nach Ausschalten des Flügelspielers agieren konnte, waren die Pässe nicht erfolgreich. Im Speziellen wurden sie oftmals zu breit und steil gespielt, sodass Green sie nicht früh genug, vor den ausgezeichnet antizipierenden Innenverteidigern, erreichen konnte.

Die Aufbauidee funktionierte zwar nicht durchgehend, stellte zumindest aber ein Mittel dar, das Pressing zu umspielen. Fürth war allgemein zu unruhig, lockte das Pressing auch bei Überzahl in der ersten Linie nur kaum an oder spielte die Pässe verfrüht.

Taktisch setzte sich diese Ungeduld insofern fort, als dass das Herauskippen von Jaeckel nur noch vereinzelt erfolgte, während schlecht vorbereitete riskante Pässe ins Zentrum häufiger wurden. Bei Anspielen in den offensiven Halbraum zeigten sich die Paderborner Sechser stark, Vasiliadis vor allem im kleinräumigen Zerstören robust und Klement im Timing wie auch Auflösen der Ballgewinne elegant.

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Bei Anspielen auf die am Ball weitestgehend indisponierten Sechser hingegen stellte das gute Zugriffstiming eher ein Offensiv-, denn Defensivmittel dar. Das Musterbeispiel für eine solche Situation ist sicherlich die Entstehung des Paderborner Führungstreffers, bei welchem Gugganig den Ball nicht nur in einer ultimativ geschlossenen Stellung erhält, sondern bei der Annahme wegspringen lässt. Klement sieht die geschlossene Haltung, läuft an und spielt den hochprallenden Ball im ersten Kontakt auf Tekpetey. Der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte.

Geschichte war nach den Gegentoren auch sehr schnell das Angriffsspiel. Zwar wurden vereinzelte Angriffe weiterhin flach ausgespielt, der Anteil langer Bälle auf Keita-Ruel nahm aber signifikant zu und stellte phasenweise das einzige Angriffsmittel dar. Fürth versuchte noch vereinzelte Angriffe durch die Halbräume abzuschließen, das Auffüllen der Kette in tiefen Szenen wurde von Vasiliadis aber mustergülig vorgenommen.

In chaotischen Szenen gelangen dennoch einige Angriffe, vor allem über Redondo, dessen Hereingaben aber wiederum vom absolut überragenden Jamilu Collins gesichert wurden. In der Schlussphase kam Fürth noch zu einigen Kontern und Gegen-Gegen-Gegen-Kontern, blieb aber letztlich weitestgehend chancen- und verdienterweise torlos.

Schwindelanfälle

Paderborn hatte in Ballbesitz gar nicht mal unähnliche Probleme zu Fürth. Gegen das Angriffspressing mussten recht häufig lange Bälle gesucht werden, die gleichwohl besser verarbeitet wurden. Darüber hinaus muss man auch anerkennen, dass Paderborns Tore in übermäßiger Zahl aus gegnerischem Ballbesitz, in Kontern, erzielt wurden, und somit weniger Resultat eines guten Aufbauspiels und vielmehr des funktionierenden Pressings bei gleichzeitig (natürlich auch in Ballbesitzphasen bemerkbaren) starken Bewegungen im letzten Drittel waren.

Fürth hatte im Pressing auf Abstöße eine durchaus interessante (weil ungewöhnliche) Herangehensweise. Keita-Ruel orientierte sich von innen klar auf Strohdiek, während Green eine durchgehende, auch in tieferen Phasen des Spiels fortgeführte Manndeckung auf Klement aufnahm. Vasiliadis erhielt ebenfalls einen direkten Gegner, wenngleich die Verfolgung etwas loser war und nach, auch nur empfundenen, Überspielen des Pressing aufgehoben wurde. Es gab so mehrere Szenen, in welchen Paderborn auf einen Außenverteidiger kommt, der keine Optionen hat, Vasiliadis aber nur wenig später freigemacht wird. Überhaupt befand sich Dräger durchgehend in einer recht freien Rolle, da Redondo von außen auf Schonlau herausrückte, während Ernst auf der Gegenseite deutlich tiefer und klar auf Collins orientiert agierte.

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Für Paderborn gab es keine gute Methode der kurzen Auflösung, allerdings kann man den Vorwurf mangelnden Willens nicht anbringen. Häufig wurde trotz der Manndeckungen zumindest zunächst flach gespielt. In diesen Phasen zeigte sich zum einen der Orientierungswechsel in der Innenverteidigung, weg vom Andribbeln und hin zu früheren Pässen; neben einigen langen Bällen gab es zudem auch den ein oder anderen Pass in die offensiven Halbräume, wo Tekpetey und vor allem Pröger hanebüchen von außen verfolgt wurden, oder aber stärker ins Zentrum, wo Michel und Zolinski im Ablagenspiel überragend harmonierten.

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Die häufigste Auflösung des Angriffspressings fand sich dergleich über die offensichtlichste Position. Dräger war durchgehend frei und konnte so durch Chips vonseiten Zingerle oder aber Pinocchio Steckpässe von Schonlau erreicht werden. Bei solchen erhält Schonlau den Ball, während er in die Mitte schaut und Redondos Anlaufen in ebendiese lenkt, nur um den Ball über seinen Körper laufen zu lassen und nach außen durchzustecken.

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Wann immer das Anspiel auf Dräger oder allgemeiner gesprochen, auf einen freien Spieler hinter der ersten Linie gelang, wechselte Fürth in ein 4-2-3-1-artiges Mittelfeldpressing, in welchem Green seine Manndeckung auf Klement zumeist weiterhin durchhielt, Vasiliadis aber frei wurde und situativ balltragend agierend konnte.

Die Angriffe wurden neben einigen gewonnenen Umschaltmomenten, in denen Fürth das Mittelfeld nach Ballgewinn in Vorwärtsbewegung öffnete, den Ball aber wieder verlor, vor allem über zwei Wege auagespielt. Zum einen bewegten sich Zolinski und Michel ballnah aber komplementär in der Nähe eines Sechsers. Sobald der Pass auf einen der beiden erfolgte, suchte der Sechser den Zweikampf, wurde aber spielend leicht, häufig mit dem Außenrist ausgespielt. Wenn sich Michel weiter rechts fallen ließ, ging Zolinski, ebenfalls zwischen den Linien, leicht nach links steil und konnte die Weiterleitung mit dem rechten Außenrist erhalten und verarbeiten.

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Paderborn konnte über solcherlei Angriffe zum einen schlichtweg Raumgewinn erzielen, zum anderen aber Angriffsoptionen in die Tiefe gewinnen. Michel und Pröger konnten halbrechts sofort starten, während Tekpetey ballfern etwas tiefer blieb, aber auch anspielbar wurde.

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Die Entstehung des dritten Tores. Diesmal hat Vasiliadis nach Ballgewinn im Mittelfeld Zeit, während Michel und Zolinski hinter die Abwehr laufen.

Tekpetey lässt sich insgesamt als zweites dominantes Angriffmittel herausstellen. Während Pröger auf der rechten Seite fast durchgehend von außen durch den Außenverteidger angelaufen wurde, was wiederum das Zentrum öffnete, wurde Tekpetey, wann immer er den Ball im Zwischenlinienraum erhielt, von Sauer gestellt. Dabei agierte der Rechtsverteidiger nicht aktiv auf den Ball, sondern sehr passiv. Bei gleichzeitigem Zurückfallen der Abwehr in Reaktion auf tiefe Läufe der Paderborner ergab sich in seinem Rücken allerdings ein Raum. Ein Raum, welcher von Michel angelaufen wurde. In seiner ausweichenden Bewegung wurde er nicht verfolgt, sondern blieb offen und konnte dementsprechend angespielt werden, bis zur Grundlinie durchlaufen und von dort Cutbacks in die gute dynamische Strafraumbesetzung spielen.

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Michel weicht im Rücken von Sauer aus. Tekpetey läuft in den Strafraum ein und trifft.

Über diese Muster hinaus lassen sich einige prinzipielle Bemerkungen treffen. So waren die etwas zurückgezogenen Rollen der Flügelspieler gegen Fürth überaus passend und konnten sogar zu Diagonalpässen in den ballfernen Halbraum genutzt werden. Auch die Strafraumbesetzung zeigte sich als mächtig, wenngleich die Präsenz im Rückraum situativ noch fehlte. Paderborn erzielt aus gegnerischen Ecken wohl mehr Tore als der Gegner selbst.

Im Speziellen zeigte Tekpetey die gute Seite seines Leistungspendels und lieferte eine überragende Leistung ab, während alle Offensivspieler auf ihre Weise brillierten. Zolinski als Verbindungsspieler, Michel als umtriebiger Tiefengeber und Neuzugang Pröger als defensiv extrem disziplinierter und offensiv vielseitiger, mit Unterstützung des Rasens sogar torgefährlichen Spieler. Andere Spieler zeigten eher in der Defensive überragende Leistungen, neben den guten Innenverteidigern ist vor allem Collins an dieser Stelle noch einmal gesondert zu loben. Auch Klement setzte seine Akzente eher in seinen Ballgewinnen, während er mit ungewohnt unglücklichen Entscheidungen am Strafraum, zur Mitte der zweiten Hälfte, die Zweistelligkeit opferte.

Fazit

Paderborn löst sich mit einem Paukenschlag aus der Negativserie gegen Fürth. Als aktuell beste Offensive und als Team mit den torreichsten Spielen (80 Tore in 20 Spieltagen), kann man endgültig den Blick nach oben wagen.

Ein Blick nach oben, der zweifellos weit über das Sportliche hinausgeht. Mit einer Schweigeminute, die das gesamte Stadion ergriff, stand das Spiel, dieser herausragende Erfolg, im Zeichen Wilfried Finkes. Der Blick nach oben, die Hoffnung auf weitere Erfolge muss immer mit der Dankbarkeit an den Mann einhergehen, der diesen Verein geprägt hat.

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