Zum Ende einer durchgehend erfolgreichen englischen Woche war der SCP in Bochum zu Gast. In einem umkämpften und phasenweise geradezu chaotischen Spiel reichte die inhaltliche Klammer, reichten die Tore in der ersten und letzten Minute der ersten Halbzeit, dem SCP als Proviant für die zweite Hälfte.
Es war ein Spiel geprägt von schlimmen Böen, schlimmeren Fouls und am allerschlimmsten, langen Bällen, die gerade von Bochumer Seite geschlagen wurden. Ein Übermaß an Aktionen auf beiden Seite wirkte im losen Rahmen improvisiert, überlegene Pläne oder überhaupt wiederkehrende Mittel ließen sich kaum ausmachen. Taktik kam in diesem Spiel kurz, entsprechend kurz soll sich auch diese Analyse halten.
Mannschaftsaufstellungen
Robin Dutt nahm drei Änderungen in der Startelf vor. Fabian, Weilandt und Zoller wurden von Baumgartner, Lee und Kruse ersetzt. Mit letzteren beiden und insbesondere dem letztgenannten, im Hinspiel nicht nur menschlich, sondern auch fußballerisch unangenehmen Australier, ergab sich auf Bochumer Seite ein enorm dynamisches offensives Mittelfeld hinter Topstürmer Hinterseer. Gesondert sind überdies noch Linksverteidiger Danilo, der defensiv überragte und Innenverteidiger Hoogland, dessen Fähigkeiten am Ball in Bochum nur kaum genutzt werden, zu nennen
Auf Paderborner Seite kehrte Steffen Baumgart zur Aufstellung des enttäuschenden Spiels gegen Greuther Fürth (6:0) zurück, Ratajczak, Hünemeier und Gueye mussten somit für Zingerle, Strohdiek und Zolinski weichen.
Biederer Ballbesitz bei Bochum
Der VfL spielte seinen Ballbesitz nur vereinzelt, in der ersten Hälfte quasi gar nicht und in der zweiten Hälfte über flexibles Herauskippen der Doppelsechs und Dribblings von Hoogland flach aus, sonder PÖHLTE stattdessen. Unter Druck wandten die Innenverteidiger sich ein ums andere Mal nach hinten, passten zu Riemann zurück, dessen Bälle eine Fläche von 1/3x³ einschlossen. Es ist kosmische Gerechtigkeit, dass dieser Spielzug in der 45. Minute versagte, der Rückpass von Baumgartner zu kurz geriet und Michel abstauben konnte.
Die langen Schläge des Torwarts zeigten sich als integral wichtig für den Bochumer Spielaufbau, in der letzten Linie wich Hinterseer nämlich vielseitig auf den Flügel aus, um diese ins dreifach eng besetzte offensive Mittelfeld abzulegen. Aus diesem wurde schnell und improvisiert die Tiefe gesucht, gerade Kruse startete früh zu Läufen in die Schnittstellen der Abwehr.
Wenn dies nicht funktionierte, wurde eine Verlagerung auf die nachstoßenden Außenverteidiger gesucht, die wiederum Halbfeldflanken in die massive Strafraumbesetzung spielen sollten. Seltener, dann wenn der Ball nicht verlagert konnte, sondern auf seiner Seite blieb, machte sich auch Hinterseer zu Flankenläufen auf. Das ist sinnvoll, weil er der größte und bei weitem kopfballstärkste Spieler der Offensive ist und hohe Flanken auf Kruse, Lee und Sam (!!!) natürlich immer erfolgreich sind, nee, warte mal…
Nicht nur so zeigten sich die Angriffsmuster häufig als kontraproduktiv. Der Fakt, dass sich alle drei offensiven Mittelfeldspieler zwischen Paderborner Kette und Sechsers befanden, erlaubte letzteren, ungenaue Ablagen sofort in die Tiefe zu verarbeiten und damit Konter einzuleiten.
Im Rückstand der zweiten Hälfte wurde Bochum etwas konstruktiver und gleichzeitig mutiger in der Offensivstrukturen. Auf der rechten Seite schob Gyamerah früher hoch, während das Ausweichen von Hinterseer und das gezielte Herüberschieben der Doppelsechs eine Überladung der rechten Seite verursachte, die wiederum zu einer besseren Präsenz auf zweite Bälle führte.
Entscheidungsfindungsorientierungsstörungen
Demhingegen versuchte Paderborn zumindest, flach von hinten herauszuspielen. Anfangs wurde das Aufbauspiel des SCP von einem Bochumer 4-2-3-1 gekontert, bei dem Hinterseer Horizontalpässe zwischen den IV schloss, während die zweite Linie kompakt ballnah verschob und somit Außenverteidiger und Sechserraum abdeckte.
Im weiteren Verlauf des Spiels entwickelte sich zunächst eine 4-4-2-Struktur, in der Lee neben Hinterseer auf Schonlau schob, während ein Sechser zwischen den beiden Stürmern auf einen der Paderborner Sechser hochschob. Zumeist war es hier Klement, der statisch tiefer blieb, während Vasiliadis und Zolinski sich häufig dynamisch zurückfallen ließen. Insbesondere die Bewegungen des Stürmers wurden dabei vom tief verbliebenden Stürmer augenommen, sodass sich bei kompletter Räumung des Zentrums bei gleichzeitig tieferen, breiten Flügelspielern eine große „0“ ergab – wie passend.
Absurderweise konnte Paderborn allerdings ausnutzen, dass die Sechser anders als in den vergangenen Spielen nicht durchgehend manndeckten, sondern lediglich im Herausschieben Orientierungen aufnahmen. Die Orientierung nach Steil-Klatsch-Kombinationen mit den Stürmern ließ demenstprechend zu wünschen übrig, sodass Klement sich im Rücken der Bochumer lösen und den Ball ins letzte Drittel treiben konnte.
Dort gab es die gewohnt vielseitigen Bewegungen Paderborns in die Tiefe zu sehen, wenngleich Angriffe am linken Flügel mit folgenden Ablagen in den Rückraum am vielversprechendsten waren. Bei diesen Angriffen ging entweder Tekpetey in ein isoliertes Dribbling, oder aber Collins überlief, sodass sich der Ex-Schalker früh in den zentralen Rückraum bewegen und von dort wenig erfolgreich schießen konnte.
Die Entscheidungsfindung ließ nicht nur an dieser Stelle zu wünschen übrig. Paderborn agierte gerade in der Hälfte, mit der Führung im Rücken, zu hektisch am gegnerischen Strafraum. Gegen Bochumer, bei denen vor der Kette häufig nur noch ein Spieler verteidigte, wurde der Ball nicht zum Ziele sauberer Durchbrüche zirkuliert, sondern stattdessen aus recht weiter Entfernung in irgendwessen Bauch geschossen. Paderborn fand am gegnerischen Strafraum überhaupt nicht in die Zirkulation, stellte keine stabile Struktur her, sondern ging in kollektiver Überzahl, häufig in Aktionen lokaler Unterzahl.
Während die Paderborner etwas Glück hatten, mit ihrer Spielweise durchzukommen, hatten die Bochumer Glück, dass Paderborn seine Konter nicht gewohnt strukturiert, aus dem Zentrum auf im Halbraum überlaufende Mitspieler, ausspielte.
Umwelt
Kein Glück hatten desweilen beide Teams mit den Umweltfaktoren. Der Platz zeigte sich extrem rutschig, viele Schüsse und deren Schützen gingen in einem Ausrutschen zunieder, während auch die starken Böen zumindest Verwirrung stifteten. Während das Ausrutschen Bochum beim ersten Gegentreffer schadete, Paderborn dafür beim Volley Tekpeteys bestrafte, hatte der Wind vor allem Effekte im Bochumer Ballbesitz. Die langen Bälle wurden wenig vorhersehbar noch länger oder teilweise komplett abgebremst, was die Defensivarbeit unsauber werden ließ.
Unsauber zeigte sich auch das Zweikampfverhalten beider Teams. Neben dem ein oder anderen, dem Platz geschuldeten Takedown, waren es vor allem die häufigen taktischen Fouls der Bochumer, die zu lange ungeahndet blieben. Losilla konnte nach seiner gelben Karte noch mehrere Angriffe mit unfairen Mitteln stoppen ohne den verdienten Platzverweis zu bekommen. Die Ahndung kleinerer taktischer Fouls (also solcher, die keine Notbremsen, Verhinderung von 1v5-Kontern sind) viel zu gering ist. Wenn man nie eine zweite Karte sieht, kann man Fouls ohne Bedenken zur Strategie erheben.
Ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht über den Schiedsrichter im Speziellen beschweren. Die Bewertung von Zweikämpfen im Strafraum zeigte sich als gut. Auch über die Fehler darf sich keine der beiden Mannschaften zu laut beschweren, schließlich gab weder der Volley-Tritt von Tekpetey:
Noch der Ellenbogenschlag von Losilla die verdiente Strafe.
Fazit
Paderborn beweist nach einer ermüdenden englischen Woche Charakter und kann sich in einem harten Spiel gegen Bochum und Umweltfaktoren durchsetzen. Der SCP hat sich in der Liga stabilisiert, die Spieler, Angewohnheiten und impliziten taktischen Abläufe sind auf einem ausreichend guten Niveau, um auch ausgeglichene Spiele für sich zu entscheiden.
Der Nichtabstieg dürfte mit nun 34 Punkten gesichert sein. Der Blick darf und muss nach oben gehen. Und wann geht das besser als im Heimspiel gegen die beste Offensive und die individuell stärkste Mannschaft der Liga – den 1. FC Köln.
Zum Abschluss noch der schönste Ballwechsel der Partie. Sieht zwar nach der falschen Sportart aus, aber immerhin…
Ein Kommentar zu „Gegen Fußball und die Welt“