31. Spieltag, das Topspiel der zweiten Liga zwischen zwei ungewöhnlichen Aufstiegskandidaten. Auf der Heimseite der SC Paderborn, der sich als Aufsteiger stetig steigerte, nach einer bereits guten Hinrunde zur besten Mannschaft der Rückrunde wurde, auf Seite der Gäste der FC Heidenheim, mit ebenfalls geringen Mitteln aber viel Konstanz in der sportlichen Leitung zu einem Top-Team der Liga aufgestiegen. Zwei Teams, die sich vor der Saison andere Ziele als den Aufstieg gesetzt hatten, sich nun aber mit genau dieser Chance konfrontiert sehen.
In einer Partie, die nach einer ausgeglichenen Anfangsphase durch den Verletzungsbedingten Doppelwechsel Heidenheims nach einer halben Stunde in die Richtung des Gastgebers kippte, der zunächst über geordneten Ballbesitz zu Spielkontrolle und dann, gegen zusehends chaotischer werdene Gäste, auch aus dem Umschaltspiel zu Chancen kam, konnte sich der SC Paderborn letztendlich hochverdient durchsetzen.
Mannschaftsaufstellungen
Auf Paderborner Seite gab es keine Wechsel im Vergleich zum Sieg gegen Holstein Kiel in der Vorwoche. Weiterhin agierte man aus einem 4-4-2, weiterhin wurden die Flügel von Pröger und dem, zum Ende einer Saison fast schon historisch in Topform befindlichen Antwi-Adjej besetzt, während Gueye einmal mehr das Vertrauen erhielt, neben Michel in der Spitze zu agieren.
Auf Heidenheimer Seite gab es ebenfalls nur eine Änderung, die allerdings eine Schwächung darstellte. Dovedan, der in der Vowoche noch doppelt gegen St. Pauli getroffen hatte, fiel mit Knieproblemen aus und wurde von Thomalla ersetzt. Dieser Ausfall eines unangefochtenen Stammspielers sollte sich als fast schon prophetisch für die Partie darstellen. Nach einer halben Stunde musste Frank Schmidt bereits zwei Auswechslungen tätigen, Schlüsselspieler Schnatterer und Innenverteidiger Beemann ersetzen. Am System des 4-1-4-1 änderte sich dadurch zwar nichts, allerdings vermisste Heidenheim die spielmachende und ordnende Komponente, die der Kapitän sonst liefern kann, gerade in Rückstand extrem.
Fluch der Guten Tat
Heidenheim zeigt sich im Ballbesitz strategisch als recht simpel auf lineare Schnellangriffe zwischen Halbraum und Außenbahn ausgerichtet, erweitert diese grundlegende Strategie aber mit passenden taktischen Mitteln. Grundsätzlich formiert man sich im tiefen Ballbesitz in einer 2-3-2-3 Grundstaffelung, in der die Außenverteidiger an die Außenlinierücken, während die Achter sich recht eng im Halbraum positionieren. Die Flügelspieler variieren ihre breite häufig zwischen Außenbahn und Strafraumbreite, agieren aber durchweg etwas zurückgezogen vor der gegnerischen Abwehrkette.
Die zurückgezogenen Positionen dienen dazu, die Außenverteidiger etwas aus der gleichen Höhe der Kette herauszulocken und im weiteren Verlauf der Angriffe Vorteile für Läufe hinter diese zu haben. Zudem können aus der tieferen Position einfacher Gegenläufige Bewegungen initiiert werden, die als Ziel für flache Anspiele der Innenverteidiger dienen sollen. Im Speziellen lässt sich dafür ein Flügelspieler fallen, während der Achter hochschiebt. Idealerweise kann die Orientierung des gegnerischen Sechsers durch den Tiefenlauf des Achters gezogen werden, während der Flügelspieler vom gegnerischen Außenverteidiger verfolgt wird, diesen aber über eine Weiterleitung auf den nun überlaufenden Außenverteidiger ausspielen kann.
Dieses arg schematische Muster konnte nur selten wirklich durchgespielt werden. Auf der linken Seite spielte Thomalla eher weniger zurückfallend, sondern tendenziell breiter und steiler als Schnatterer, der wiederum häufig nach innen drehte statt den Flügel entlang zu spielen. Meistens aber kam es gar nicht soweit, dass das Verhalten der Offensiven relevant geworden wäre.
Paderborn konnte aus seinem für Paderborner Verhältnisse ungewöhnlich kompakten 4-4-2-Pressing, einfache Mannorientierungen auf Achter und Außenverteidiger der Heidenheimer herstellen, während die Stürmer sich die Abdeckung von Sechser Dorsch und das Anlaufen des ballführenden Innenverteidigers teilten. In der Lösungtheorie kann man diese Konstellationen recht einfach über ballnahes Ausweichen des Sechsers und eventuelles ballfernes Hochschieben eines Innenverteidigers, wenn der ballferne Stürmer vom Sechser mitgezogen wurde, auflösen. Dorsch aber zeigte sich nicht wirlich aktiv in seinen horizontalen Bewegungen, die Innenverteidiger nicht wirklich drückend in der Zirkulation.
Häufiger spielte man unter leichtem Druck zurück zu Torwart Müller und setzte sich breit ab, wodurch man die Distanzen untereinander verlängerte und kaum zwingend werden konnte. Gelegentlich spielte Müller zwischen den beiden Paderborner Stürmern, die sich nicht wirklich entscheiden zu können schienen, wer den Passweg zustellte (Bei Ballbesitz Innenverteidiger ist das durch die automatische Positionierung zwischen Ball und Sechser einfacher), zu Dorsch durch, welcher wiederum den Angriff einleiten konnte. Häufiger folgte der lange Ball, auf den Stürmer Glatzel wie auch der ballnahe Achter und Außenverteidiger auswichen.

Die sinnvolle Lösung, die Heidenheim gegen die Paderborner Staffelung zusehends fand, bestand in der Salida Lavolpiana, dem zentralen Zurückfallen Dorschs zwischen die Innenverteidiger. Die Verantwortlichkeiten im Pressing wurden für Paderborn weniger eindeutig, die Stürmer orientierten sich zunächst stärker zentral, sodass die Flügelspieler ihrerseits häufiger auf die breiten Innenvertieidger herausschoben und 4-2-4-0 Strukturen herstellten. In diesen gab es allerdings mehr Platz für die Heidenheimer Außenverteidiger, die häufiger gesucht wurden und als Plattform für die weitere Angriffsentwicklung, unter anderem verstärkt über Zurückfallen Glatzels, dienten.

Im weiteren Verlauf bewegten sich die Paderborner häufig höher, aus Ausgangspositionen innerhalb der Aufbaudreierkette. Während dies eigentlich angenehm zu bespielen ist, schoben die Heidenheimer Innenverteidiger nur ungern raumgreifend hervor, sondern ließen die Horizontalpässe untereinander lieber abgedeckt. Der Spielfortschritt wurde phasenweise zwar prinzipiell einfacher, tatsächlich aber unsauberer, da kaum vorbereitet.

Während die Anpassung der Aufbaustruktur einen positiven Effekt auf das Ballbesitzspiel hatte, litt Heidenheim im Umschalten an den veränderten Strukturen. Da die Außenverteidiger hoch schoben, bot sich Paderborn die Möglickeit, Konter über die offene Außenbahn auszuspielen.

Vor der entstehenden Dreierkette fehlte die Besetzung des Sechserraums. Bei zentralen Ballverlusten musste Dorsch weit herausrücken, was die breiten Innenverteidiger in eine unangenehme Dynamik zwang. Schlimmstenfalls mussten sie, bei durch hohe Positionen der Außenverteidiger offener Außenbahn in die Tiefe laufende Paderborner auf beiden Seiten kontrollieren. Ein Beispiel für die Gefahr dessen findet sich im Paderborner Führungstreffer. Nach zentralem Ballgewinn und diagonalem Dribbling durch Vasiliadis bewegt sich Mainka nach außen in dessen Richtung, wodurch er aber die zentrale Schnittstelle für einen Steckpass auf Jimmy öffnet.
Chaos is a Ladder
Während Heidenheim sich mit seiner Anpassung Vorteile im Ballbesitz mit vereinfachtem Paderborner Umschaltspiel teuer erkaufte, variierte der SC Paderborn etwas dezenter. Zu Beginn der Partie begann man aus einer 2-4-1-3-artigen Struktur gegen ein enges Heidenheimer 4-1-4-1-Pressing. Die beiden Sechser positionierten sich neben Glatzel und damit vor der Mittelfeldkette der Gäste, wo sie durch vorsichtiges Herausschieben des ballnahen Achters und situativ (solange Schnatterer auf dem Platz stand) durch ein Schieben des Flügelspielers in Zentrum unter Druck gesetzt wurden. Dynamik war im Anlaufen nicht wirklich vorhanden, sodass vor allem Klement keinerlei Probleme hatte, den Ball zu halten.

Problematischer zeigte sich für Paderborn der Übergang in die Offensive. Gueye agierte meist zurückgezogen, konnte im Zentrum aber leicht von Sechser Dorsch kontrolliert werden. Währenddessen lief Michel durchgehend hinter die Abwehr, wenn Klement Zeit am Ball erhielt. Mit diesen Läufen war er aber alleine gegen die Heidenheimer Viererkette, sodass diese ihn gut kontrollieren konnte. In den meisten Fällen wurde der Ball nicht hinter, sondern neben die Abwehr, auf Jimmy, gespielt. Dieser konnte gegen Busch Dribblings ansetzen, die aber recht statisch waren und von vereinzelt unpassenden Bewegungen seiner Mitspieler erschwert wurden.

Wenn die Innenverteidiger andribbeln war es ebenfalls Michel, der sich effektiv bewegte und spät in den ballnahen Zwischenlinienraum auswich, von wo er versuchte nach vorne zu kombinieren. Auch einer der beiden Sechser schob abwechselnd immer wieder in diesen Raum, die Anspiele aber erfolgten nicht durchgehend erfolgsstabil. Auch blieben die Außenverteidiger vereinzelt etwas tiefer, was die Heidenheimer Flügelspieler wiederum in höhere Positionen zog.
Mit weiterem Verlauf der Partie wurde insbesondere ein Spielzug fokussiert. Wenn einer der Innenverteidiger andribbeln konnte, bewegte sich Pröger enger und tiefer in den rechten Halbraum, wodurch er Theuerkauf in die Mitte zog. Auf der Außenbahn setzte Dräger zeitgleich, wie von der Wespe gestochen, vertikale Läufe an Linie an. Entweder direkt, über starke Laserpässe, oder mit der Zwischenstation Pröger konnte der Außenverteidiger häufig breit ins Dribbling, zur Grundlinie und schlussendlich zur Flanke kommen.

Thomalla erkannte dieses Überlaufen und verfolgte Dräger folglich enger und in tiefere Zonen. Diese Positionierung sollte sich als erster Riss in der zuvor stabilen Defensivstrategie zeigen. Da Thomalla häufig tief war, wich Glatzel stärker nach links aus, um Druck auf Schonlau erzeugen zu können. In der Folge bewegte sich Multhaupt rechts in eine höhere Position, aus der er Hünemeier anlaufen konnte. Busch schob danach etwas in Richtung des offenen Collins. Im Mittelfeld wurde das Pressing mannorientierter, da die Kompaktheit abnahm.
Es war insgesamt recht verwirrend, wie das Heidenheimer Stück für Stück unkompakter und mannorientierter wurde, ohne Zugriff erzeugen zu können. Schlussendlich agierte man in einer Art 4-Raute-2, in dem die Außenverteidiger eine höhere Ausgangsposition einnahmen als der zentrale Sechser, während die Spieler der Raute flexibel auch auf den Flügel schoben und einer der Stürmer mannorientiert Spieler im Sechserraum verfolgte. Es war alles sehr ungenau und damit wenig erfolgsversprechend.
Paderborn hatte mit dem nun entstehenden chaotischeren Rhythmus zwar auch kleinere Probleme, profitierte in Summe aber von den Angriffen gegen unorganisierte Gäste sowie die Vielzahl an Umschaltsituationen. Jimmy erzielte sein zweites Tor, nachdem kein Heidenheimer auf die Idee kam, beim Paderborner Durchbruch zur Grundlinie den Rückraum zu besetzen. Pröger traf, ins Zentrum eingerückt, nach einem seitlichen Durchbruch Tekpeteys auch, da Heidenheim nicht vernünftig nachrückte.
Letztendlich reichte der Anschlusstreffer nicht mehr aus, um den Gästen eine Chance zu geben, das Spiel zu drehen. Obwohl man einen msutergültigen Angriff am Flügel, in der ersten Hälfte häufig versucht, finalisieren konnte, war ds Spiel bereits verloren.
Fazit
Heidenheims stabiles Defensivkontrukt fällt durch eine einzelne Reaktion und deren Folgen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Paderborn profitiert vom unruhigen Rhythmus, der in diesem Chaos entsteht und kann sich der verbesserten Heidenheimer Offensivstruktur vor allem auch daher widersetzen, da diese mehr Optionen im Konter ermöglichte.
Nach dem Sieg im zweiten Spitzenspiel in Folge rückt der SC Paderborn auf Platz 2 auf. Mit einem weiteren ausstehenden Spiel gegen den viertplatzierten HSV liegen alle Karten in Paderborner Händen. Heidenheim hingegen muss den Traum vom ersten Bundesligaaufstieg, dem Erfolg, der Trainer Frank Schmidt für seine jahrelange erfolgreiche Arbeit so sehr zu wünschen wäre, wohl aufgeben.