Die meisterwartete Partie des ersten Bundesliga-Spieltags, das Spiel zwischen zwei Traditionsklubs und Zuschauermagneten, die Partie zwischen zwei Mannschaften, denen zuletzt Erfolg oder fußballerische Identität abhandengegangen waren. Ach nee, wir sind ja gar nicht in Gladbach.
In Leverkusen, vor nicht mal vollem Haus, fand die Paderborner Rückkehr in die oberen Gefilde des deutschen Fußballs, die Bundesliga statt. Eine Rückkehr, die trotz der sonstigen Medienirrelevanz des SC Paderborn ein beträchtliches Medienecho fand. Insbesondere die Zusicherungen, unabhängig von der Ligazugehörigkeit dem offensiven Stil treu zu bleiben, fanden viel Beachtung.
Scheinbar bestätigte der Saisonauftakt diese Zusicherungen. Paderborn leistete gegen eines der Topteams der Liga, die Leverkusener Werkself, eine Mannschaft gespickt mit Nationalspielern und jungen Juwelen, mit 2 Toren einen Beitrag zum Feuerwerk der ersten halben Stunde des Spiels. Mehr noch, kam man auch im verbleibenden Spiel immer wieder zu guten Kontern, Angriffen, die nur mit Glück gestoppt werden konnten oder im letzten Moment aus den Füßen rutschten.
Doch Stil, Kultur und Philosophie messen sich nicht allein an den Highlights eines Spiels. Und bei genauerem Blick muss man feststellen, dass der SCP Anpassungen an einen Gegner getroffen hat, wie selten zuvor.
Mannschaftsaufstellungen
Keine Anpassungen gab es bei der Grundformation. Paderborn bleibt seiner 4-4-2-Formation treu und besetzt diese im Wesentlichen erwartungsgemäß. Vor Torwart Huth, der den verletzten Zingerle schon die gesamte Vorbereitung mit einigen Unsicherheiten vertrat, formiert sich eine altbekannte Viererkette.
In Abwesenheit des noch verletzten Schonlau setzte sich diese aus Hünemeier und Strohdiek, witzigerweise den einzigen Spielern, die mit dem SCP bereits Bundesliga spielten, zusammen. Dass sie damals, vor 5 Jahren, noch etwas schneller waren, schien bereits im Voraus klar und wurde in der Entstehung des ersten Gegentors Kloßbrühe.
Auf den Außenverteidigerpositionen gab es eine kleinere Überraschung. Dräger und Collins, die in der vergangenen Saison dem Stamm des Teams angehörten, kehrten ohne Vorbereitung und dafür nach dem Afrikacup sofort in die Startelf zurück. Im zentralen Mittelfeld waren es Gjasula und Vasiliadis, die den Abgang Klements in ihrer fast vollständig defensiven Kapazität Vergessen machen konnten.
Auf den Flügeln setzte Steffen Baumgart auf das wahrscheinlich schnellste Duo der Liga. Jimmy stellte an diesem Spieltag bereits den Geschwindigkeitsrekord auf, Pröger wird diesen in kommenden Partien sicherlich noch angreifen. Schlussendlich durfte Streli Mamba neben Sven Michel sein Debüt feiern und direkt mit einem strategisch ungünstigen Tor krönen.
Auf Leverkusener Seite wurde währenddessen ein Hybridsystem aus 4-3-3 (def) und 3-2-4-1 aufgeboten. Im Ballbesitz postierte sich vor Hradecky, der im klassischen Torwartspiel zwar überragend, im Spiel mit Ball aber sehr simpel, stark auf seinen rechten Fuß fokussiert und häufig mit langen Bällen unterwegs ist, eine Dreierreihe. Deren linkes Glied war Wendell, der unter Peter Bosz immer häufiger in dieser tiefen Rolle eingesetzt wurde. Dies mag zwar überraschend scheinen, allerdings ist Wendell mit kurzen Dribblings sowie seinem kreativen verdeckten Passspiel wohl am besten aufgehoben.
Zentral postiert war derweil Sven Bender, der als in allen Spielphasen solider, kaum aber auffälliger Aufbauspieler agierte. Auf der rechten Seite fand sich Jonathan Tah mit den tendenziell ambitioniertesten, gleichzeitig aber fehleranfälligsten Aktionen der ersten Reihe wieder. Nicht nur defensiv hatte er Probleme mit der Abdeckung der Außenbahn gegen Jimmy, auch offensiv zeigte er viele Ungenauigkeiten in der Passwahl und -Ausführung.
Vor diese Dreierreihe wurde eine Doppelsechs aus Julian Baumgartlinger und Charles Aranguiz gebildet. Während ersterer als einer der chronisch unterschätzten Spieler der Liga immer wieder mit verdeckten Pässen für Spielfortschritt sorgte, agiert letzterer in der Angriffsentwicklung üblicherweise stärker vorstoßend.
Die offensive Viererreihe wurde durch die meisten Verschiebungen zur Defensivfomation gebildet. Lars Bender rückte den rechten Flügel hoch, blieb dabei aber grundsätzlich tiefer und stärker ins Aufbauspiel involviert als Leon Bailey, der als linker Flügelspieler seinem Offensivgeist treu und der Abseitslinie nah blieb. Die hohe rechte Achterposition wurde währenddessen vom wohl größten Talent des deutschen Fußballs, dem erst 19-jährigen Kai Havertz besetzt, der mit einigen Ungenauigkeiten in der Passgewichtung zwar einige Angriffe zerstörte, gleichzeitig aber die größte Gefahr durch seine hochdynamischen Dribblings und Tiefenläufe ausstrahlte. Auf der linken Seite sollte währenddessen Demirbay in einer gleichsam hohen Rolle agieren. Dabei gingen allerdings einige seiner Stärken verloren. Zwar ist Demirbay stark im Tragen des Balls, tut dies aber erfolgreicher aus tieferen Zonen, zwar ist er gut im Bespielen von Schnittstellen, allerdings agiert er dabei aus chaotischeren Situationen stärker.
Zuletzt wurde die Mittelstürmer-Position von Volland vor allem als Tiefengeber, vereinzelt als Ablagenspieler, situativ aber auch auf den Flügel ausweichend, insgesamt recht ausgewogen und komplett interpretiert.
Elemente des Positionsspiels
An dieser Stelle soll gesondert darauf eingegangen werden, welche Elemente Leverkusen im Ballbesitz nutzte, welche Möglichkeiten diese in der Theorie bieten und inwieweit diese in der Praxis zu sehen waren.
Strukturelle Interaktionen
In der postmodernen Diskussion über Fußball werden Formationen gerne mal als nicht wirklich existentes Konstrukt abgetan, berühmt ist Guardiolas Bezeichnung von Formationen als Telefonnummern. Zum gewissen Teil sind diese Aussagen natürlich wahr. Eine einfache Zahlenkombination liefert eine nur unzureichende Beschreibung der Funktionen einzelner Spielerpositionen und Strukturen zu einem gegebenen Zeitpunkt.
Die Bestimmung einer Formation darf nie das Ziel einer taktischen Analyse sein, aber dennoch haben Grundformationen, insbesondere wenn sie statisch ausgeführt werden, einen ordnenden Effekt auf die taktischen Zusammenhänge.
In dieser Partie ergab sich der Effekt wie folgt: Paderborn agierte zunächst aus einem hohen 4-4-2-Mittelfeldpressing, aus dem Druck auf den Ballführenden erzeugt, der Ball nach außen oder zurück zum Torwart geleitet werden sollte. Dem hingegen agierte Leverkusen in einer 3-2-4-1-Struktur. Die erste Linie variierte dabei hauptsächlich in der Breite der Halbverteidiger, die sich grundsätzlich strafraumbreit postierten, in attackierenden Momenten situativ aber auch breitere Positionen einnahmen. Die zweite Linie bestand aus der Doppelsechs, die sich mit einem engen Bewegungsradius zentral und hinter den beiden Paderborner Stürmern postierte.
In der dritten Reihe kam Bender häufiger etwas tiefer, bis etwa auf Höhe der Paderborner Doppelsechs, während Bailey auf der rechten Seite höher, teilweise an der Abseitslinie stand. Zentral postierten sich die beiden Achter in den Halbräumen, den Boxen zwischen Außenverteidiger, Innenverteidiger, Sechser und Flügelspieler und passten ihre Position dort so an, dass sie stets den größtmöglichen Abstand von allen Gegnern hatten. So bewegten sie sich beispielsweise tiefer, wenn das Paderborner Mittelfeld herausschob, die Abwehr aber tief blieb.
Was an dieser Stelle bereits klar werden sollte, ist, dass den Paderborner Spielern keine simplen Zuordnungen geboten wurden. Die Stürmer mussten zu jedem Zeitpunkt entscheiden, ob sie Druck auf den ballführenden Innenverteidiger erzeugen oder sich auf die Abdeckung des Sechserraums über Deckungsschatten und Lokalkompaktheit (also schlicht ihre räumliche Nähe zu den Gegenspielern) konzentrierten.
Abhängig von dieser Entscheidung der Stürmer musste das restliche Team sein Verhalten abpassen. Hatte zum Beispiel Wendell als linker Halbverteidiger den Ball, musste Pröger entscheiden, ob er Balldruck erzeugen, oder tief die Kompaktheit halten soll. Wenn er sich entscheidet, Druck zu machen, stellt sich zudem die Frage, ob er dies unter Abdeckung des vertikalen Passes in den Halbraum oder bogenförmig unter Abdeckung des Flügels tut.
Abhängig von dieser Entscheidung des Flügelspielers wiederum musste sich der Außenverteidiger entscheiden, ob er bereits früh auf den Flügelspieler herausrückt, enger bleibt, oder sogar spekulativ in die Nähe des Leverkusener Achters schiebt.
Die angreifende Mannschaft hat in dieser Situation immer einen logischen Vorteil. Während die Verteidiger Strecken zurücklegen müssen, um in Schlagdistanz zu einem Gegner zu kommen, müssen die Angreifer, insbesondere der Ballführende nur beobachten, ob eine Option offen ist. Entscheiden und laufen dauert schlichtweg länger als entscheiden und Passen.

Eine fehlerhafte Paderborner Kommunikation führte zum ersten Gegentor. Tah hatte den Ball und wurde dabei, trotz eines Anlaufens von Mamba, zusätzlich noch von Jimmy attackiert. Dieser startete aus einer recht breiten Ausgangsposition und lief direkt auf Tah an. Mit dieser Bewegung und in Verbindung mit dem unzureichenden Verschieben des Mittelfelds öffnete er beide Optionen, den Pass zu Havertz genauso wie den zum am rechten Flügel tief gekommenen Bender. Collins stand vor einem Dilemma und entschied sich zunächst, in Anbetracht der strategischen Bedeutung der Spielfeldmitte auch korrekt, dazu, näher an Havertz zu schieben.

Doch Tah spielte den Pass zu Bender, Collins hatte nun eine weite Strecke zurückzulegen, so weit, dass er trotz einer suboptimalen Ballannahme zu spät kam, um Zugriff zu erzeugen. Schlimmer noch erlaubte seine Bewegung aus einer zentraleren Position ein einfacheres Anspiel hinter Hünemeier. In der Zentrale lief Volland nämlich sofort in die Tiefe, wo er den Ball nach einer ungünstigen Abwehraktion erhalten und zum Treffer in die Mitte legen sollte.
Das Risiko der Feigheit
In Anbetracht der stetig notwendigen Kommunikation und Abpassung der Verantwortungen stellte sich Paderborn die Frage über die Intensität des Pressings. Wenn man hoch und aggressiv anlief, blieb Leverkusen weniger Zeit für ihre Aktionen, man konnte Druck erzeugen, unkontrollierte lange Bälle und vereinzelte hohe Ballgewinne provozieren. Gleichzeitig aber blieb einem selbst durch das höhere Tempo weniger Zeit zur Entscheidung, es wurden mehr Fehler gemacht, Spieler in gefährlichen Positionen häufiger offen gelassen als bei einem passiveren Verhalten.
Bei einem tieferen Pressing nahm das Risiko dessen, fatal ausgespielt zu werden zwar ab, die Spielkontrolle ging aber ebenso total verloren. Paderborn entschied sich mit zunehmender Spielzeit dafür, das Pressing zurückzufahren.
Dass es eine weitere Lösung gegeben hätte, erschien von außen klar, wurde den Beteiligten aber nicht bewusst. Das Hauptproblem besteht darin, dass viele Entscheidungen zwischen weitestgehend gleichwertigen Optionen getroffen werden müssen. Die Flügelspieler beispielsweise mussten stets zwischen breiter und enger Abdeckung, die Außenverteidiger stets zwischen Flügelläufer und Achter entscheiden.
Auf der linken Seite funktionierte das kaum, auf der rechten Seite hingegen, erstaunlich gut. Dies hat meines Erachtens mit dem simplen Verhalten Prögers zu tun. Während Jimmy zwischen den Optionen abwägte und damit Unklarheit aufkommen ließ, lief Pröger, meist aus einer höheren Position startend, stets unter Abdeckung der Außenbahn an. Die höhere Position sorgte dabei dafür, dass der ballnahe Stürmer sich schnell auf den Sechserraum fokussieren könnte, die Abdeckung des Sechserraums über den Stürmer erlaubte dem ballnahen Sechser währenddessen, schneller in die Halbspur durchzuschieben und einen Pass auf den Achter zu erschweren. Drägers Entscheidung wurde ebenfalls einfacher, vor allem aber wurden eventuelle Fehlentscheidungen nur kaum relevant.
Wenn diese Situation fokussiert worden wäre, indem der rechte Sechser etwas breiter, der linke Sechser eher ins Zentrum schiebt und der linke Flügelspieler ebenfalls zentraler bleibt, während der rechte Stürmer etwas zurückgezogener agiert, anders gesagt, wenn die situative Asymmetrie der Pressingstruktur forciert worden wäre, hätten die Entscheidungen vereinfacht, der Zugriff verbessert und die Spielkontrolle in den eigenen Händen gehalten werden können.
Doch, würde würde Fahrradkette, Paderborn zog sich lieber zurück und erwartete sein Schicksal. Zum Ende der ersten und in weiten Teilen der zweiten Halbzeit wurde ein insgesamt passiveres tiefes Mittelfeldpressing aufgefahren, das den Spielrhythmus recht deutlich von dem vorteilhaften Chaos der ersten halben Stunde wegkippen ließ. Statt systematisch Druck und Ballgewinne zu erzwingen war es nunmehr individuelle Aggressivität insbesondere der Flügelspieler, die für Konter sorgen konnte.
Locken und gefressen werden
Mit zunehmender Passivität gab der SC Paderborn zusehends auch die Entscheidung über die Initiation der Aktivität ab. Leverkusen nutzte zunehmend geradezu lassiv langsame Zirkulation, um das Paderborner Pressing anzulocken. Das Ziel bestand dabei schlichtweg darin, redundantes Verhalten zu provozieren. Ein solches besteht im Anlaufen des Halbverteidigers durch Flügelspieler und Stürmer, ein weiteres in der Provokation eins hohen Herausschiebens des Sechsers, während die Mitte anspielbar war.
Doch das Locken ist immer eine gefährliche Angelegenheit. Leverkusen brachte sich gerade in der ersten Hälfte häufiger in Situationen, in denen die Grenze zwischen geplanter und unabsichtlicher Unpräzision verschwommen. Insbesondere Tah hatte darunter zu leiden, in lockenden Momenten mehrfach Pässe in den Vorlauf zu bekommen, wegen derer er in der Folge auf dem Flügel isoliert werden konnte.
Erfolgstabiler waren andere Leverkusener Muster, in denen das Pressing über horizontale Dribblings gelockt werden sollte. Beispielsweise konnte so ein Sechser nach außen gezogen, das geöffnete Zentrum in der Folge für einen Vertikalpass genutzt werden.
Safe Spaces
Überhaupt nahm die Bedeutung der Sechser mit steigender Paderborner Passivität zu. Während sie in der Anfangsphase nur selten, zur Mitte der ersten Halbzeit häufiger angespielt und insbesondere in Person von Baumgartlinger aufdrehen und den Schnittstellenpass spielen konnten, übernahmen sie zum Ende die Kontrolle.
Der taktische Trick war dabei unglaublich einfach. Anstelle im Rücken der Paderborner Stürmer von deren Deckungsschatten bedroht zu werden, ließen sie sich schlichtweg auf eine Höhe mit ihnen fallen. Wenn einer der Stürmer breiter schob, um sie aufzunehmen, ergab sich zwischen den beiden Stürmern eine Schnittstelle. Wenn keiner sie attackierte, drehten die schlichtweg auf, um zwischen die Linien zu spielen. Die tiefere Position hatte darüber hinaus noch einen weiteren Effekt – der Abstand zu den Paderborner Sechser wurde zu groß, als dass diese hätten Druck erzeugen können, gleichzeitig aber waren die Paderborner dazu verleitet höher zu schieben, was den Zwischenlinienraum wiederum vergrößerte.
Gestolpert
Der saubere Übergang in den Zwischenlinienraum gelang eigentlich recht häufig. Ein solches Anspiel signalisiert für Leverkusen einen Tempowechsel. Aus den zuvor statischen Positionen werden sofort Tiefenläufe angesetzt, alle Offensiven suchen den direkten Weg zum Tor. Es war vor allem Kai Havertz, der in diesen Momenten angespielt wurde (Demirbay wurde auf der Gegenseite ja besser abgedeckt).
Wenn der Abstand klein genug war, sprangen entweder Innen-, oder, bei zentralem Anspiel seltener, Außenverteidiger heraus, um ihm beim Aufdrehen zu verhindern. Das klappte erstaunlich gut, zumal durch die tiefen Ausgangspositionen im Zentrum keine Ablageoption offen stand. In der letzten Saison, in der prinzipiellen Ausrichtung und auch in der zweiten Hälfte ist es hier Aranguiz, der zentral nachstoßen sollte.
Der Angriff wurde zumeist also nur fortgeführt, wenn Havertz ohne Druck aufdrehen konnte. Die Folgeaktionen strukturierten sich ebenfalls simpel. Zunächst dribbelte er los, dann spielte er entweder steil hinter die Kette auf Stürmer oder Flügelläufer, oder aber legte den Ball weniger steil nach außen. Der Flügelspieler sollte dann ins Duell gegen den Außenverteidiger gehen, während Havertz in dessen Rücken durchlief.
Die Entscheidungen für die Paderborner Kette blieben dabei recht einfach. Da Demirbay die letzte Linie nur spät attackierte, hatte Paderborn im wesentlichen eine Gleichzahl. Der ballnahe Innenverteidiger konzentrierte sich auf Havertz, der Ballferne auf Volland, die Außenverteidiger auf die Flügel. Entscheidungen blieben weitestgehend aus, Vorteile konnten nur schwerlich erspielt werden.
Hinzu kam die sehr instabile Passgewichtung die Kai Havertz and den Tag legte. Anders als Brandt, der in der vergangenen Saison stets perfekt gewichtete Pässe in den Lauf spielte, waren diese bei Brandt häufig zu langsam oder zu wenig steil, sodass die Flügelspieler nicht mit dem ersten Kontakt an der Linie vorbeikamen.
Wenn sie es aber doch taten, oder Leverkusen allgemein mehr Offensivpräsenz schaffen konnte, brannte es im Paderborner Strafraum lichterloh. Wenn Demirbay den Ball führte und Havertz ballfern höher war, konnte stets eine Überzahl im Strafraum geschaffen werden. Doch diese Situationen traten zu inkonstant auf und wurden zu selten genutzt.
Bombardement
In einigen Phasen gelang es Leverkusen, Paderborn in Strafraumnähe festzumachen. Häufig konnte Paderborn zwar Ballgewinne durch individuell aggressives Verhalten erzwingen, manchmal aber blieb man festgezurrt.

Wendell schob in diesen Momenten in den breiten linken Halbraum hoch, verbesserte damit die Gegenpressingstruktur, fungierte als Rückverlagerungsoption und Passgeber. Baumgartlinger steuerte währenddessen häufig verdeckte attackierende Pässe ein, Havertz bewegte sich frei, ins Zentrum und zwischen die Verteidiger.

Umstellungen
In der zweiten Hälfte versuchte Bosz die Statik des Spiels über Wechsel aufzubrechen. Zunächst betrat Dragovic für Bender das Feld, was zu einem Durchschieben der letzten Reihe führte. Wendell agierte nun hoch am linken Flügel, Bailey schob dafür auf rechts. Dieser Wechsel hatte allen voran den Effekt einer besseren Restverteidigung, da stets eine Dreierreihe beibehalten wurde.

Doch der Effekt des nächsten Wechsels sollte noch durchschlagender sein. Bellarabi kam für Baumgartlinger ins Spiel und besetzte den rechten Flügel, Bailey schob wieder nach links und sorgte dort häufiger für eine doppelte Flügelbesetzung mit Wendell. Demirbay ging neben Aranguiz in die Doppelsechs und machte diese damit dynamischer. Vor allem aber wurde der Zwischenlinienraum geräumt, sodass Havertz mehr Platz für horizontale Läufe erhielt.

Der Siegtreffer war Resultat dieses perfekten Wechsels. Havertz erhielt nach einem Einwurf den Ball und konnte diesen diagonal in die ballferne Mitte treiben. Diese war offen, da beide Paderborner Sechser auf die Ballseite geschoben hatten, während Pröger in Reaktion auf die doppelte Flügelbesetzung breit blieb. Dort sah er den Tiefenlauf Wendells nicht kommen – Havertz aber schon. Mit einem seiner wenigen perfekten Pässe erreichte er den linken Flügelläufer, der sofort in die Mitte, auf den im Moment des Passes losgelaufenen Volland legte.

Propaganda
Der SC Paderborn hatte sich vor dem Spiel stets auf das Treubleiben zur eigenen Spielphilosophie berufen und nach dem Spiel fast schon dafür gefeiert. Ja, man erzielte zwei Tore gegen Leverkusen, doch Ergebnisse sind keine Philosophie.
Insgesamt zeigte Paderborn nur wenig derer Elemente, die die vergangenen Jahre ausgezeichnet haben. Das Pressing war anfangs hoch, später aber zunehmend zurückgezogen und kollektiv geradezu passiv. Anstelle von längeren tiefen Aubauszenen mit flachen Anschlussaktionen erfolgte, der Spielaufbau fast ausschließlich über die Außenverteidiger und deren diagonales Passspiel in die Sturmspitze.
Dort zeigten die Stürmer stets gegenläufige Bewegungen, durch die Chaos in die ohnehin schon unkoordinierte, durch Manndeckung und mangelnde Redundanzen riskant agierende, Leverkusener Hintermannschaft gebracht werden konnte. Neben flachen Angriffen über die Außenverteidiger waren es mit dem späteren Spielverlauf immer häufiger auch wenig vorbereitete, Manndeckung sei Dank (s.o.), aber erfolgsversprechende lange Bälle, die das Angriffsspiel bestimmten.

Neben dem wenig ausgeprägten Spiel im kontrollierten Ballbesitz konnte Paderborn hauptsächlich aus Kontern gefährlich werden. Die durch langsame Rückwärtsbewegung und gleichzeitig hochdynamische Leverkusener Angriffe enstehenden zockenden Positionen der Flügelspieler konnten dabei im Besonderen erfolgsversprechend genutzt werden. Vor allem Jimmy, der hinter dem weit aufrückenden Bender vom schwachen Tah abgedeckt werden musste, wurde im Umschaltspiel immer wieder fokussiert.

Es war, geradezu absurderweise, die individuelle Qualität, die Paderborn zu Chancen kommen ließ. Jimmy, Pröger und der in der Schlussphase eingewechselte Souza sorgten für Chancen, nachdem sie einige Gegenspieler im Dribbling hatten aussteigen lassen. Sogar ganz allgemein, wurde das Gegenpressing vor allem durch kurze Paderborner Dribblings ausgehebelt.
Sonstiges
Bei aller Kritik, die ich über den Jungen ausschütte (fairerweise, da bin ich wahrscheinlich einer von wenigen) muss Havertz‘ Verhalten in Antizipation von Ballgewinnen ein Sonderlob erhalten. Wann immer es zu unübersichtlichen mehrfachen Umschaltsituationen kam, löste er sich nach außen, in den Raum, den die im Gegenpressing aktiven ballnahen Außenverteidiger öffneten, um anspielbar zu werden.
Durch seine Bewegung weg vom Ball reduzierte er zwar den Druck, schaffte Leverkusen aber immer wieder eine erfolgsversprechende Lösung.
Auch seine Positionsdindung erlaubte Leverkusen unkoventionelle Lösungen. So bewegte er sich einige Male auf Höhe des Paderborner Mittelfelds auf die Außenbahn. Der Außenverteidiger konnte nicht auf ihn herausschieben, da er vom höher stehenden Flügelläufer geblockt wurde, während der Paderborner Flügelspieler im Vorwärtspressing aktiv war.

Fazit
Leverkusen kontrolliert den SCP über die gesamte Spielzeit, bleibt trotz guter Ansätze aber zu ungenau im Ballbesitz. Der Aufsteiger kann währenddessen keine Akzente im Ballbesitz setzen, sondern lediglich unter Ausnutzung des hanebüchenen Defensivverhaltens des Gegners zu Chancen kommen.
Paderborn überrascht im ersten Spiel. Im Ergebnis und in der Vernachlässigung der eigenen Spielphilosophie. Es bleibt zu hoffen, dass sich Propaganda nicht zur größten Stärke der Paderborner entwickelt.
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