„Ich bin kein Innovator. Ich bin ein Ideen-Dieb.“ – Pep Guardiola
Die Geschichte des Fußballs ist eine Geschichte von Trial and Error, vom Ausprobieren neuer Ideen und dem Scheitern dieser. Es gibt im Fußball keine zusammenhängende, geschlossene Theorie, aus der sich alle Taktiken über reine Logik herleiten lassen. Vielmehr entwickelten sich moderne Spielsysteme durch die Kopie funktionierender und das Vergessen dysfunktionaler Elemente.
Insbesondere Jürgen Klopp zeichnet sich dadurch aus, die Spielweise seiner Mannschaften stets zu iterieren, die positiven Aspekte zu bewahren und die negativen auszutauschen. Innerhalb seiner aktuellen Liverpooler Amtszeit wurde zunächst Angriffs- und Gegenpressing fokussiert, um dann zusehends auf ein lockenderes, nur situativ in höchster Intensität jagendes Pressing umzustellen, bevor, gerade in den letzten beiden Jahren, eine stete Weiterentwicklung des Ballbesitzspiels, welches seinerseits voll von verschiedensten, meist schnell verworfenen, Ideen war, erfolgte.
Selbst innerhalb einzelner Spiele findet sich eine ähnliche Struktur von Trial und Error wieder. Insbesondere im Ballbesitz, wo die upside, der Nutzen eines erfolgreichen Angriffs, die downside, die Gefahr durch eine Isolation und Klärung des Balls, zumeist übersteigt, kann extrem variiert werden. Über verschiedene Strukturen, Rhytmen und Bewegungsmuster können Defensivsysteme fortwährend getestet, Schwachstellen identifiziert und ausgenutzt werden.
Um zusammenzufassen: Trial andError bestimmt die globale Entstehung taktischer Trends, die lokale Entwicklung taktischer Systeme, den Verlauf einzelner Spiele und sogar die individuelle Entwicklung von Spielern. Variation zeichnet erfolgreiche Mannschaften aus, das Kopieren funktionierender Konzepte verkürzt den Prozess und spart damit viel Zeit und Arbeit.
Konzeptionelle Statik
Das Spielsystem, das Paderborn seit der Amtsübernahme Steffen Baumgarts entwickelte, ist natürlich ebenfalls zusammengeklaubt. Die hauptsächlichen unmittelbaren Inspirationen dürften dabei in der DFB-, sowie, vor allem durch Markus Krösches Zusammenarbeit mit Roger Schmidt, in der RB-Schule liegen.
Gleichwohl zeichnete sich Paderborn in den beiden Aufstiegsjahren durch ein hohes Maß an eigeninitiativer Variation aus. In der dritten Liga spielte man zum Schluss in einem sehr interessanten 4-4-2, bei dem Klement als rechter Flügelspieler stets ins Zentrum schwomm, wo wiederum ständig kleinere Variationen der Aufbaustruktur vorgenommen wurden.
In der zweiten Liga gab es etwas weniger makrotaktische Variationen, eine derer im Aufrücken des ballfernen Außenverteidigers auf hohe Verlagerungen bestand, während Spieler wie Tekpetey (stärkeres Einrücken in tiefen Halbraum), Schonlau (situatives Unterlaufen des Außenverteidigers, wahrscheinlich von Kiel inspiriert) und allen voran Klement (häufiger Wechsel in Rolle, tief kontrollierend, in verschiedene Räume abkippend oder dynamisch ballfern einlaufend) individuell variierten.
Es ist nicht wirklich überraschend, dass sich in dieser Saison, in der alle drei fehlen, eine besorgniserregende Ideenlosigkeit eingestellt hat. Paderborn traf zwar eine deutliche makrotaktische Anpassung, nämlich die geringere Höhe und Intensität des Pressings, testet diese aber nicht. Ganz im Gegenteil, wird diese Strategie gefahren, obwohl sie negative Konsequenzen hat. Am deutlichsten wurde dies wohl im Auftaktspiel gegen Bayer Leverkusen. Während man in der Anfangsphase noch Ballgewinne und hohe Konter über ein aggressives Pressing initiieren konnte, wurde im Verlauf der Partie zusehends tiefer und weniger erfolgreich gepresst.
Und, nun ja, der Misserfolg gibt Paderborn Unrecht.
Um in der ersten Liga konkurrenzfähig zu sein, und wichtiger noch, konstant punkten zu können, muss man variieren, verschiedene Ideen testen, annehmen oder verwerfen. Man könnte nun Konzepte aus dem Vakuum ziehen. Einfacher ist es jedoch, Ideen zu kopieren – wie gut, dass man den perfekten Gegner dafür erwischt hat.
Vergleich
Der FC Schalke 04 ist zum Beginn dieser Saison ein erstaunlich guter Vergleichspunkt für Paderborn. Nicht nur ist die trivialerweise Grundformation dieselbe, auch der Fokus im Pressing (Isolieren auf außen) sowie einige strategische Elemente des Ballbesitzspiels, allen voran die Nutzung der Außenverteidiger sowie der Versuch von Schnellangriffen vom Flügel ins Zentrum sind deckungsgleich.
Abgesehen von diesen Überschneidungen gibt es gleichwohl unzählige Unterschiede im Detail, welche wiederum als Ideen geklaut werden können. Bevor wir uns aber der Frage widmen, können, wie diese Details aussehen, sollten wir uns zunächst einen Eindruck vom Schalker Kader und dessen Qualitäten im Vergleich zum Paderborner Team machen.
Im Tor des FC Schalke findet sich Alexander Nübel. Nach mehreren Jahren auf der Bank konnte man fast schon befürchten, dass er eine Karriere als ewiges Talent hinter Ralf Fährmann verbringen würde, in der letzten Saison aber traf Domenico Tedesco die überraschende Entscheidung, den ehemaligen Paderborner zum Stammtorwart zu erklären. Auch nach der Entlassung der Trainerhoffnung wurde dieser Maßnahme treu geblieben, Nübel spielte sich in einer insgesamt schwachen Schalker Mannschaft durch sein starkes Passspiel und einige überragende Paraden so sehr in den Fokus, dass er in der Transferperiode mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wurde.
Passspiel, überragende Momente und Verbindungen zum FC Bayern sollten einen Paderborner Torwart in Gedächtnis rufen – Leo Zingerle brillierte in den vergangenen Jahren in ähnlicher Rolle, wenngleich er im Passspiel eher tief eingebunden und weniger weiträumig war als sein Schalker Pendant. Jannik Huth ist dem U21-Torwart stilistisch wohl noch etwas näher, da aggressiver und weiträumiger mit Ball. Auch die haupsächliche Schwäche, die Strafraumbeherrschung, teilen sich beide. Dass Nübel gleichwohl konstanter mit und generell überlegen ohne Ball ist, steht an dieser Stelle aber natürlich außer Frage.
Die Innenverteidigung wurde im Spiel gegen Paderborn von Salif Sané und Benjamin Stambouli gebildet. Der Senegalese ist nicht nur der zweikampf- und kopfballstarke Riese, als der er gerne identifiziert wird, sondern ein mehr als passabler Aufbauspieler, der durch recht unkonventionelle Bewegungen und Pässe auffällt. Auf der anderen Seite agiert Benjamin Stambouli als sehr vielseitiger, im Passpiel ambitionierter, dabei aber konventioneller wirkender Akteur.
Der Paderborner Kader lässt keinen wirklichen Vergleichpunkt zu den beiden zu. Abgesehen davon, dass alle Paderborner Verteidiger in ähnlicher Form aggressiv herausschiebend agieren, hält lediglich Sebastian Schonlau mit den Aufbauqualitäten der beiden mit. Sein Passspektrum ist dabei gleichwohl etwas begrenzter, insbesondere kurze Chips sieht man von ihm eher selten.
Das Schalker Außenverteidigerduo ergibt sich aus Bastian Oczipka auf der linken und Jonjoe Kenny auf der rechten Seite. Beide sind recht physisch und stark im direkten Verteidigen. Oczipka ist am Ball eher limitiert, kann bei Schwächen im Dribbling aber recht stabil kombinativ agieren. Im Offensivspiel hält er sich an der Außenlinie, um sich dynamisch in die Tiefe zu lösen und Flanken einzubringen. Kenny ist mit Ball insgesamt etwas stärker, wenngleich auch er nur kaum mit Dribblings, dafür aber sehr direkt und etwas flexibler im Angriffsspiel agiert. Insbesondere rückt er in Abstimmung mit Caliguiri häufiger in den Halbraum ein, um von dort abzuschließen.
Collins kann durchaus mit der Physis und defensiven Stärke der beiden mithalten. Mehr noch, würde ich den Nigerianer als einen der drei defensiv stärksten Linksverteidiger der Liga einschätzen. Dräger hingegen fällt defensiv und körperlich deutlich ab. Zwar teilt er Dynamik und Ausdauer der anderen, sein individualtaktisches Abwehrverhalten ist aber weiterhin schwach. Auch mit Ball agieren die beiden Paderborner anders, stärker auf Dribblings fokussiert (Collins linear, Dräger invers), dabei aber weniger kombinativ und insbesondere schwächer im Flanken.
Im Mittelfeld agierte Schalke mit Omar Mascarell, der klar tiefer agierte und sich im Spielaufbau konstant zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, von wo sein gutes Passspiel zum Vorschein kam, seine mangelnde Agilität hingegen nicht entblößt wurde und Suat Serdar, der sich in einer höheren Rolle, hinter den Offensiven, wenig verbindungsgebend, dafür aber balancierend und insbesondere im Kampf um zweite Bälle als balljagend zeigte.
Die generelle Aufgabenverteilung lässt sich bei Paderborn eventuell noch spiegeln, wenn man Gjasula als tiefen Aufbauspieler und Vasiliadis als hohen Balljäger einsetzen würde, die konkreten Fähigkeiten unterscheiden sich aber dennoch massiv. Gjasula ist klar defensiv orientiert, er hat zwar gute Momente im Passpiel, insbesondere wenn er ohne Druck agieren kann, zeigt aber eine generell niedrige Präzision und auch wenig Ambition im Passspiel. Vasiliadis schiebt zwar gerne höher (auch wenn er sich das selbst nicht eingesteht), agiert dabei aber deutlich direkter, weniger balancierend oder absichernd als Serdar und kann auch in der Defensive nur kleinräumig balljagend agieren.
Zu Caliguiri lässt sich wohl kein Vergleichspunkt finden. Er vereint starke defensive und gute körperliche Fähigkeiten mit Stärken in kleinräumigen, insbesondere abkappenden Dribblings und einer rationalen konservativen Entscheidungsfindung mit weiträumigen Anschlussaktionen.
Insbesondere letztere Aspekte kann ich auf Paderborner Seite nicht finden. Jimmy agiert dynamisch, direkt, wenn er es versucht auch defensiv stark, insgesamt aber sehr kurzsichtig. Auch Souza, der etwas mehr spielmachende Komponenten in das Angriffspiel einbringen soll, agiert wenig strategisch, dafür aber etwas inverser als sein Paderborner Kollege.
Amine Harit macht in dieser Saison endlich wieder auch sportliche Schlagzeilen. Der Doppelpack in Paderborn krönte seine starke Frühform und zeigte gleichzeitig, wo er sich weiterentwickelt hat. Während er weiterhin seine enorm kleinräumig ballhaltenden, lockenden und gegnerschlagenden Dribblings einbringen kann, findet er nun eher Anschlussaktionen in Form von Rückverlagerungen in geöffnete Räume oder Pässen in die Tiefe.
Der einzige Spieler, der einen Vegleich zu Harit erlaubt, ist Marlon Ritter. Wenn dieser seine schlechten Angewohnheiten (deren folgend er in der letzten Linie steht und wartet) ignoriert, zeigt er recht ähnliche Momente kurzer kleinräumiger Dribblings und steiler Anschlussaktionen. Insgesamt agiert er dabei deutlich direkter, auch fehleranfälliger, als Harit – man könnte also sagen, dass der Marrokaner sich, auf zweifellos höherem Niveau, auf ihn zuentwickelt.
In der Spitze agiert Schalke mit Guido Burgstaller und Mark Uth. Beide haben recht ausgewogene Fähigkeiten, Burgstaller ist körperlich etwas robuster, Uth dafür schneller und agieren grundsätzlich als sehr bewegliche Stürmer. Burgstaller wirkt in seinen Bewegungen meist etwas direkter und unkonventioneller, während Uth auch balancierende und verbindungsgebende Bewegungen einstreut.
Grundsätzlich hat Paderborn mit Sven Michel und Streli Mamba ebenfalls zwei bewegungsstarke Spieler in der Startelf. Im Unterschied zu Schalke fehlt es den beiden teilweise aber an der Koordination untereinander. Insbesondere Michel vermag es sehr gut, Räume für sich selbst zu schaffen, bereitet aber nur selten vorteilhafte Strukturen für andere. Überhauot sind die Paderborner Stürmer zwar schneller, fußballerisch aber weniger komplett. Beide sind keine wirklich guten Stürmer in statischen Situationen, sowohl das Klatschen als auch das kleinräumige Aufdrehen lässt bei beiden zu wünschen übrig. Absurderweise scheint es Michel einfacher zu fallen, mit einem Gegenspieler im Rücken aufzudrehen, als ohne.
Die obigen Spielerprofile schaffen den Rahmen für die nachfolgende Betrachtung verschiedener Schalker Offensivmuster und deren Übertragbarkeit auf den SCP.
1. Dynamische Dreierkette
Bevor wir zum ersten Element kommen, eine kleine Beschwerde. Das Zurückfallen eines defensiven Mittelfeldspielers in die erste Linie des Aufbaus, welches im spanischen den schönen Namen „Salida Lavolpiana“ trägt, wird im deutschen Fußballdiskurs gerne mal als „Dynamische Dreierkette“ bezeichnet. Dass eine solche statische geänderte Positionsstruktur aber weder dynamisch, noch, in häufiger Ermangelung des ballnahen Durchschiebens des zurückgefallenen Sechsers, eine Dreierkette ist, führt die Formulierung ad absurdum.
Aber wie dem auch sei. Mascarell ließ sich auf Schalker Seite durchgehend und früh in die erste Linie des Spielaufbaus fallen. Zumeist verblieb er dabei zentral, vereinzelt kippte er aber auch nach links ab. Zusammen mit den Innenverteidigern wurde so stets eine ca strafraumbreit aufgefächerte Dreierreihe gebildet.
Allgemein ist nicht nur der Begriff, sondern auch die Praxis dieses taktischen Mittels kritisch zu sehen. Oft wird davon gesprochen, durch das Zurückfallen eine Überzahl in der ersten Linie zu erhalten, allerdings kann diese zumeist nur in einfach zu pressenden vertikalen Dribblings der Innenverteidiger ausgespielt werden. Gleichzeitig verliert man Präsenz im Zentrum, was das Aufrechterhalten einer Zirkulation, insbesondere nach Übergang in hohe Zonen, erschwert. Auch die Gegenpressingstruktur wird durch die Reduktion der Zentrumsbestzung schwächer, Konter im Gegenzug einfacher.
Der Nutzen ist insgesamt also begrenzt, hier aber absolut gegeben. Da Paderborn immer noch keine konstante Lösung gegen Dreierketten entwickelt hat, konnte Schalke sich Zeit verschaffen. Da die Paderborner Flügelspieler eine Distanz hielten, die ihnen Zugriff auf die breiten Innenverteidiger ermöglichte, konnten die Schalker Außenverteidiger sich in hohe Zonen wegschleichen.

Aus dieser Situation wurde nun der Moment abgepasst, in dem einer der Paderborner Flügelspieler auf den Innenverteidiger herauspresste, um an ebendiesem vorbei auf den Außenverteidiger zu spielen. Das Wort „vorbei“ ist an dieser Stelle nicht zu eng zu fassen, Zwar gelang es Schalke ab und an, nach kurzen vertikalen Dribblings nach außen zu spielen, häufig aber wurde der Ball auch über den Paderborner gechippt.
Der Paderborner Außenverteidiger reagtierte auf dieses Anspiel auf sein Schalker Pendant, verließ seine Position und schob heraus, der jeweilige Schalker Flügelspieler wurde währenddessen offen und konnte Longline in die Tiefe geschickt werden.
Der Effekt dieses Schalker Spielzugs steht in unmittelbarem Zusammmenhang mit dem Paderborner Defensivsystem. Gegen Mannschaften, die konstanter aus dem Zentrum auf Dreierketten pressen und die Flügel zurückhalten, hätte er schlechter funktioniert. Auch die generellen Nachteile der Salida sollten hier beachtet werden.
Nichtsdestotrotz sehe ich mehrere Gründe, dass Paderborn es einfach mal probieren sollte. Zum ersten wäre die tiefe Position, in der Gegner nur aus einer Richtung kommen, vorteilhaft für Gjasula. Zum zweiten bin ich generell der Meinung, dass man allgemein suboptimale Strukturen testen sollte, um schwache Reaktionen eines spezifischen Gegners zu provozieren. Zum Dritten halte ich es für vorteilhaft, die Dribblings von Collins oder Dräger aus höheren Positionen anzubringen. Die Passwege sind hier kürzer, entsprechende Schwächen fallen weniger ins Gewicht.
2. Innen vorbereiten, außen abschließen
Simple Longline-Eröffnungen fanden vor allem in der Anfangsphase der Partie statt. In der Folge variierte Schalke glücklicherweise, um Anschlussaktionen im Zentrum zu suchen. Die Außenverteidiger spielten hierfür diagonal auf die Stürmer, welche wiederum untereinander, oder auf einen der fallenden Flügelspieler ablegten.
Insbesondere bestand die Möglichkeit, den Paderborner Außenverteidiger durch ein Überlaufen des Außenverteidigers zu binden. Wenn beispielsweise Kenny nach seinem Pass durchlief, konnte Caliguiri fallen, ohne verfolgt zu werden. (Wenn Caliguiri oder Harit initial tief standen, liefen sie in die Tiefe, sobald der Außenverteidiger den Ball erhielt, um den Passweg ins Zentrum frei zu ziehen.)
Schalke spielte in diesen Konstellationen kurze Kombinationen, um Paderborn ins Zentrum zu locken. Nach wenigen Pässen erfolgte abermals der Pass auf den Flügel – diesmal wurde ein Außenverteidiger an die Grundlinie geschickt.

Die Variation bespielter Räume ist ein ewiges Paderborner Tabuthema. Nur sehr selten gelang es im vergangenen Jahr Vorbereitung und Durchbruch in verschiedenen Zonen anzulegen. Gelegentlich gab es Verlagerungen vom Flügel ins Zentrum, viel seltener lockendes Spiel in ebendiesem, um Raum in der Breite zu öffnen.
Dieses Problem hat ein Stück weit mit dem generellen Fokus auf Schnellangriffe, der Aufrechterhaltung zentraler Präsenz, allerdings auch mit den Spielerprofilen zu tun. Anders als Harit und Caliguiri, welche als Flügelspieler Übersicht bewahren, agieren Jimmy, Souza, Pröger oder wer auch immer direkt und ohne Orientierung auf Freiräume am Flügel. Auch aus dem zentralen Mittelfeld fehlt die Weiträumigkeit, Spieler in der Breite zu finden.
Zuletzt agieren auch die Paderborner Außenverteidiger unpassend für diese Taktik. Während Dräger zwar häufig hoch schiebt, geschieht nicht ausreichend dynamisch, um sich aus einer etwaigen Verfolgung zu lösen. Gleichzeitig sichert Collins häufiger ab und schiebt nur kaum Richtung letzte Linie, wenn der Ball zentral ist.
Auch an dieser Stelle ist zu betonen, dass die Funktionalität aus der Interaktion beider Teams erwächst. Da Paderborns Flügel hoch und eng sind, sind sie zu weit weg, um sie beim Überlaufen zu verfolgen.
3. Zurückfallen des ballfernen Flügelspielers
Ein spezielleres Mittel, welches sich in die generelle obige Idee einreihte, war das spekulative Einrücken und Zurückfallen des zuvor hohen ballfernen Flügelspielers, sobald die Möglichkeit zu einem Horizontalpass vor der Abwehr bestand. Gerade Harit konnte durch eine solche Bewegung mehrfach geöffnet werden.

Paderborn hätte einige gute Spieler für solcherlei Spielzüge. Souza bewegt sich instikntiv bereits häufiger in den Halbraum, bereitet dabei aber nicht fokussiert Pässe auf die Außenbahn vor. Wie zu Beginn bereits diskutierte, könnte auch Ritter in einer ähnlichen Rolle spielen.
4. Durchgezogenes Überlaufen der Außenverteidiger
Ein generelles Element in der Nutzung der AV bestand in der Konsequenz dere Durchlaufens. Während die Spieler bei anderen Teams mit der Bewegung stoppen, wenn der Ball zum Beispiel ins Zentrum gespielt wird, zogen Oczipka und Kenny ihre Läufe, sobald sie starteten, bis zur Abseitslinie durch. Durch dieses Durchlaufen blieben sie in Dynamik, während der Rest der Mannschaft noch 2 bis 3 Pässe spielen konnten, bevor sie gesucht wurden.

Die Konsequenz war dabei ein Stück weit notwendig. Insbesondere bei Verlagerungen starteten die Außenverteidiger aus einer tief und eng absichernden Position neben Serdar. Sie hatten so stets 30 Meter zu überbrücken, was nicht wirklich im Vollsprint bis zu 5 Sekunden dauern kann.
Um die Außenverteidiger so lange in eine Position laufen zu lassen, in der sie ihren defensiven Wert fast vollständig verlieren, muss der mannschaftliche Fokus klar sein. Jeder Spieler muss sich darüber bewusst werden, dass genau diese Situationen vorbereitet, gesucht und genutzt werden sollen. Es ist schwerlich vorstellbar, dass Paderborn derart langsichtige Angriffe zu entwickeln gedenkt.
5. Flache Flanken in den Rücken
Sobald die Durchbrüche am Flügel gelangen, suchte Schalke den Rücken der Paderborner Abwehr. Da diese zumeist in einer simplen Linie zurückfiel, war es vom Flügel möglich parallel an ebendieser vorbeizuspielen. Da sowohl Burgstaller als auch Uth sich immer wieder, genau im Moment der Hereingabe leicht nach hinten und zum Ball bewegten, somit aus einer Position im Rücken der Paderborner Verteidiger, konnten sie innerhalb des Strafraums frei werden. Es war letztendlich riesiges Paderborner Glück, dass derlei Angriffe nicht noch konstanter erfolgreich waren.

Angriffe, in denen man dynamische Vorteile (hier am Flügel) und Orientierungsvorteile (hier der Start der Bewegungen von Außenverteidiger und später Stürmer im Rücken) nutzt, werden immer, unabhängig von Strategie und Spielermaterial erfolgsversprechend sein.
Beide Paderborner Stürmer würden erheblich von flachen Hereingaben profitieren (allgemein sind flache Hereingaben einfacher zu verarbeiten. Michel und Mamba sind aber nicht allzu groß, sodass hohe Flanken disproportional schwer zu verarbeiten sind), auch die dafür nötigen Bewegungen wären ihnen zuzutrauen. Zweifelhaft ist währenddessen, ob die Außenverteidiger Cutbacks stabil genug anbringen könnten. Eventuell ließe sich ein anderer Trigger für das Fallen finden. Wenn das Zurückfallen erst beim Eindringen der AV in den Strafraum nach einem kurzen Dribbling erfolgte, würde der Passweg verkürzt und damit vereinfacht.
(P.s.)
(Einige Aspekte wurden bewusst ausgelassen, blieben aber nicht unbemerkt. Diese bestehen insbesondere im starken Verhalten der Schalker Innenverteidiger in der Antizipation von Tiefenpässen. So verfolgten sie die Stürmer in geschlossenen Situationen des ballführenden stets, während sie bei offenen nicht auf deren Rückfallbewegungen reagierten.
Serdar agierte, wie immer eigentlich, in der Weiträumigen Kontrolle von Kontern im Zentrum des Schalker Spiels.)
Fazit
Glücklicherweise existiert im Fußball kein Urheberrecht. Jede Mannschaft kann funktionierende Elemente anderer Teams nach gutdünken kopieren. Dass es sich dabei nicht stets um den Tausch einer gesamten Philosophie handeln muss, um zu spielen wie Manchester City, lässt sich an diesem Spiel erkennen.
Schalke ist eine gute, phasenweise sogar sehr gute Mannschaft, keinesfalls aber unvergleichlich. Die Spielerprofile erlauben ein gewissen Vorgehen, sollten Paderborn aber nicht davon abschrecken, Elemente zu testen, zu variieren und damit, by Trial and Error, besser zu spielen.
Ein Kommentar zu „Trial and Error“