Auch das zweite Duell zwischen Bayer Leverkusen und dem SC Paderborn geht an die Werkself. Das Spiel ähnelte dem Saisonauftakt der Bundesliga in vielen Aspekten, der Spielkontrolle Leverkusens, der Vielzahl an beiderseitig vergebenen Chancen und, zumindest auf Bayers Seite, schlechter Absicherung.
Diese Entwicklung ist in gewisser Weise ein Testament an die etablierte Spielweise beider Teams, in der sich Stärken und Schwächen unabhängig von Wettbewerb, Aufstellung und auch Formation zeigen.
In der Analyse der letzten Partie blickten wir verstärkt auf das Leverkusener Positionsspiel. Dessen ruhige Angriffsvorbereitung, Fokus auf Halb- und Außenbahn sowie Kai Havertz zeigten sich auch in diesem Spiel. Ein signifikanter Unterschied bestand in der veränderten Aufbauformation, ein Aspekt auf dem wir im Verlauf zu sprechen kommen werden.
Mannschaftsaufstellungen
Die Spielerprofile auf Leverkusener Seite hatten wir bereits im Hinspiel ausführlichst diskutiert. Im Vergleich zu diesem waren Mitchell Weiser, als sehr riskant vertikal orientierter Linksverteidiger, Dragovic als ambitionierter, aber fehleranfälliger Innenverteidiger, Nadien Amiri als ebenfalls vertikal denkender, im Bewegungsspiel starker Zehner, Lucas Alario, als guter Ablagen-, ansonsten technisch limitierter Stürmer und Karim Bellerabi neu in der Startaufstellung.
Bei Paderborn gab es aus Gesichtspunkten der Belastungssteuerung mehrere Wechsel. Jannik Huth kehrte ins Tor zurück und machte eine auf der Linie starke, mit Ball etwas unsichere Figur. Laurent Jans agierte als Rechtsverteidiger, erledigte seinen Job grundsolide und mit einigen eingestreuten diagonalen Dribblings. Souza kam wieder in die Mannschaft und füllte Vasiliadis Rolle als hoher Achter aus, Jimmy stresste Tah vom linken Flügel, Mamba war als zentraler Stürmer hauptsächlich im Pressing aktiv, dabei aber ziemlich ineffektiv.
Wer anderen eine Grube gräbt…
Leverkusen konnte die Partie in der ersten Hälfte über erdrückenden Ballbesitz kontrollieren: Paderborn kam zu einigen Kontern, nur selten aber zu längeren Ballbesitzphasen. Das eigene Pressing war somit durchgehend gefragt.
Grundsätzlich positionierte Paderborn sich in einem Mittelfeldpressing. In diesem agierte Mamba vor einer Viererreihe die gerade in längeren und tieferen Phasen von Gjasula auf fünf Mann aufgestockt wurde. Leverkusen zirkulierte mit fünf tiefen Feldspielern. Die beiden Innenverteidiger positionierten sich im Halbraum aufgefächert, die Außenverteidiger breit vor der Paderborner Mittelfeldkette, Baumgartlinger klar als Sechser. Aus dieser Situation sollten Anspiele in den Halbräume, wo sich Havertz und Amiri durchgehend positionierten, vorbereitet und forciert werden.
In der Ausgangsituation agierte die Paderborner Mittelfeldkette eng aneinander, während Mamba nah bei Baumgartlinger blieb. Die Innenverteidiger durften zunächst in Ruhe zirkulieren, nur gelegnetlich schob Mamba vor, um das Spiel auf die Seite zu lenken. Dafür schob er in einem Bogen zunächst in den Passweg, um dann zumeist auf Dragovic zu attackieren. Dieses Leiten blieb zumeist erfolglos. Leverkusen erkannte Paderborns Intention und verlagerte über Baumgartlinger zurück zum anderen Innenverteidiger.
Anfänglich war es damit erfolgsstabiler, überhaupt nicht proaktiv zu pressen, sondern einen Pass auf die Außenverteidiger abzuwarten. Anfangs suchten diese sofort den Longlinepass, gerade auf der rechten Seite, wo Collins große Probleme im Positionsspiel gegen Bellarabi zeigte (er bewegte sich etwas zu hoch, sodass er Bellarabi nicht andrängen konnte, sondern verfolgen musste).
Paderborns Mittelfeldkette wurde durch diesen Flügelfokus etwas in die Breite gezogen, gelichwohl blieb das Verhalten der Flügelspieler prinzipiell unverändert. Wann immer der AV den Ball erhielt, pressten sie in einem Bogen, unter Abdeckung des Longlinepasses auf diesen. Wenn der ballnahe Achter sich zeitgleich etwas tiefer bewegte, war jegliche Progression versperrt.

Doch änderte sich dieser Zustand unmittelbar, sobald ein Rückpass auf den Innenverteidiger gespielt wurde. Der Paderborner Achter schob nun häufig hervor, korrigierte aber nicht in die Breite. Die äußere Schnittstelle ging auf, sodass die Achter in den Halbräumen gefunden werden konnten. Der Zugriff auf diese gestaltete sich zumeist als schwierig. Gjasula schob nur in Momenten, in denen ein Achter signifikant hochschob, in die Lochstelle.
Dieser Effekt verstärkte sich, je aggressiver und umfassender Paderborn den Zugriff suchte. Um dieser herzustellen, musste Mamba nämlich auf den ballnahen Innenverteidiger pressen, während der ballferne Achter auf Baumgartlinger schob. Je höher dieser sich aber bewegte, desto offener war der ballferne Halbraum, und je offener dieser war, desto eher war Gjasula verleitet, auf dieser Seite zu bleiben.

In Summe gab es einige fehleranfällige Punkte in Paderborns Pressingplan, welche durch einen Mangel an Koordination und nachfolgend Intensität erschwert wurden. So schob Mamba recht häufig alleine ins Pressing vor, ohne dass Baumgartlinger von einem Achter aufgenommen werden konnte. Wenn nun die Auflösung des Pressings gelingt, lässt sich kein Zugriff auf der ballfernen Seite herstellen. Auch in zugriffssuchenden Momenten auf der Außenbahn, in denen man gerade auf Weiser Fehler provozieren könnte, war die Ausführung zu geringintensiv.

Das Pressing ist nun noch nicht vollständig beschrieben. In vereinzelten Momenten der Anfangsphase und im Laufe der ersten Halbzeit bewegte sich Jimmy als ballferner Flügelspieler höher. Wenn Leverkusen nun tief verlagerte, attckierte er Tah von außen, sodass dieser Andribbeln musste, um sich zu lösen. In dieser Situation konnte Paderborn eine zentrale Pressingfalle aufspannen. Mamba und Jimmy zwangen Tah in einen Pressingkanal, an dessen Ende Sabiri wartete.

Gleichwohl konnte auch diese Situation nicht durchgehend erfolgsstabil kreiert werden. Häufig gelang es Tah, mit dem ersten Kontakt dennoch auf den Flügel zu verlagern, wo Bender vollkommen offen war und die restliche Paderborner Mannschaft nicht ausreichend zugriffssuchend agierte. Auch wurde die Zange auf den Innenverteidiger situativ angesetzt, obwohl am Ende des Kanals kein Mitspieler, sondern Gegner stand.

In späteren Phasen der ersten Halbzeit pressten die Achter häufiger auf die Innenverteidiger durch. So konnten sie den Halbraum zwar eher über ihren Deckungsschatten kontrollieren, das Spiel über den dritten Mann, also einen ablegenden Stürmer oder Flügelspieler, machte diesen aber dennoch bespielbar.

In der zweiten Hälfte wurde das Pressing insgesamt intensiviert, kurzzeitig schlechtere Staffelung oder Redundanzen in kaum genommen. Leverkusen wurde dadurch unruhiger und häufiger zu langen Bällen verleitet. Paderborn konnte stattdessen mehr Ballbesitzphasen einleiten und innerhalb der zweiten Hälfte mehr Kontrolle erlangen.
Konter entstanden gleichwohl seltener aus hohen Ballgewinnen, sondern zumeist aus Angriffen, die Leverkusen zu eng gestaltete. Souza zockte hier von halbrechts häufig auf Ballverluste, um im folgenden Konter einzuleiten.
Die Innere Mitte
Anders als viele andere Positionsspiel-Trainer zeigen Bosz‘ Teams stets einen starken Flügelfokus. Leverkusen kreiert Angriffe zumeist auf der gleichen Site, auf der sie sie abzuschließen gedenken. Dieser Flügelfokus wiederholt sich auch im Pressing der Werkself.
Dabei agierte man grundsätzlich aus einem 4-2-3-1. Doch während die Flügelspieler sich konstant relativ breit an den Außenverteidiger orientierten, schoben im Mittelfeld sukzessive mehr Spieler nach vorne. So attackierte zunächst der Stürmer (Alario) auf einen Innenverteidiger, nur damit der Zehner (Havertz) nach einem Horizontalpass auf die gleiche Höhe schiebt. gleichzeitig muss Amiri von der Sechs nach vorne schieben, um Gjasula abzudecken. In Windeseile verliert Leverkusen jegliche Besetzung des defensiven Mittelfelds.

In der ersten Halbzeit spielte der SCP ihnen dabei freundlicherweise in die Karten, indem simple Flügelangriffe in Gleichzahl gefahren wurden. In der zweiten Halbzeit wurden verstärkt Anspiele in die absurd offenen Halbräume gesucht und gefunden.
Fazit
Paderborn kann abermals gegen Leverkusen mithalten. Obwohl man noch andere Chancen zulässt, verliert man unglücklich durch ein irreguläres Abseitstor. Die veränderte Formation des 4-1-4-1 zeigt sich, gerade mit wechselnder Besetzung noch unabgestimmt und gerade in der Zugriffsvorbereitung unzureichend. Gleichwohl werden auch starke Pressingmomente kreiert und hohe Ballgewinne erzwungen.
Bei stärkerer Ausführung passt die vorsichtigere, in vereinzelten Situationen aber explosiv und zwingend zugreifende Anlage gut zur ersten Liga. Leverkusen ist der perfekte Gegner, um an stabilen und starken Strukturen getestet zu werden. Mal schauen, was es im dritten Spiel neues zu sehen gibt…